„Ich dachte zuerst, das ist ein Ort wo nur Psychos sind. Deshalb hatte ich ganz schön Angst, als ich zum ersten Mal mit Papa hier war. Da waren wir zu einem Vorstellungsgespräch. Und jetzt, nach ein paar Wochen, weiß ich, hier sind ganz normale Kinder, die alle Probleme haben, so wie ich. Und es ist schön hier. Ich kann über vieles sprechen und habe Freunde gefunden.“
Elena, 13 Jahre, Patientin in der Kindertagesklinik
Aktuell verzeichnet das therapeutische Team der Tagesklinik an der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik für Kinder und Jugendliche des GLG Martin Gropius Krankenhauses in Eberswalde (meist einfach „KiJu“ genannt) eine große Nachfrage nach Therapieplätzen für Kinder mit emotionalen und Verhaltensproblemen. Dabei blickt die Kindertagesklinik seit ihrer Gründung am 1. September 2000 auf 25 Jahre erfolgreiches Wirken zurück.
„Eine Kindertagesklinik ist eine hervorragende Ergänzung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, da hier Kinder und Jugendliche behandelt werden können, für die eine ambulante Behandlung nicht mehr ausreichend ist, aber eine stationäre Behandlung noch nicht notwendig wird“, erklärt Prof. Dr. Hubertus Adam, Chefarzt der Klinik. „In einer Tagesklinik bietet sich die Möglichkeit, alles was erlebt, erfahren und erlernt wurde, gleich zu Hause auszuprobieren. Die jungen Patientinnen und Patienten behalten den Kontakt zu ihrer Familie und zu ihren Freunden, was bedeutet, dass sie schnell wieder Anschluss finden können, wenn die Behandlung abgeschlossen ist.“
Dipl.-Psych. Uta Kranz, Psychotherapeutin und Leiterin der Tagesklinik, betont das große Potential der familientherapeutischen Arbeit gemeinsam mit den Eltern und den Kindern. Sie sagt: „Bei uns wird auch die ganze Familie zu familientherapeutischen Interventionen eingeladen. Dazu gehören die Geschwister, Oma und Opa, wenn’s klappt oft auch die neuen Partnerinnen und Partner der Eltern und manchmal auch der Hund.“ Braucht es ruhige Gespräche nur mit den Eltern und den Kindern, ermöglicht die Tagesklinik auch schnell und unkompliziert eine kurze Betreuung der jüngeren Geschwisterkinder, um die Eltern zu entlasten.
Stolz ist das Behandlungsteam auf die multiprofessionelle Zusammenarbeit vieler Menschen aus unterschiedlichen Berufsfeldern wie Pflege, Pädagogik, Fachtherapie (Ergo-, Musik-, Kunst- Bewegungstherapie, etc.), Kinder- und Jugendpsychologie und Kinder- und Jugendpsychiatrie. „Wir behandeln co-therapeutisch. Vielfalt macht Therapie aus!“, so Denise Mätzkow, Leitung des Pflege- und Erziehungsdienstes der Tagesklinik und Koordinatorin aller Tageskliniken und Ambulanzen der Klinik. Die KiJu des GLG Martin Gropius Krankenhauses betreibt außer der Tagesklinik in Eberswalde auch die Familientagesklinik „Koralle“ in Bernau, eine Kindertagesklinik in Prenzlau, an allen Standorten eine Institutsambulanz sowie vier Stationen für vollstationäre Versorgung.
Psychische Erkrankungen brauchen Zeit
Einer Aufnahme in die Tagesklinik geht ein ausführliches Vorgespräch voraus, in dem gemeinsam herausgefunden wird, welche Ziele die Therapie erreichen soll und kann. Die sich anschließende umfassende diagnostische Phase dauert vier bis sechs Wochen, die folgende Behandlung umfasst in der Regel ungefähr vier Monate.
„Psychische Erkrankungen brauchen Zeit“, sagt Prof. Dr. Hubertus Adam. „Und hier genau liegt auch der entscheidende Vorteil einer Tagesklinik – dass die Patienten nicht durch ausgedehnte stationäre Aufenthalte ihrem normalen Lebensumfeld entzogen werden. Tageskliniken sollten diesem Anliegen möglichst auch durch ihre Wohnortnähe entgegenkommen. Insgesamt bieten die drei Standorte heute 36 Behandlungsplätze an, ungefähr 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind dort beschäftigt.
Die komplexe Behandlung übernehmen therapeutische Teams, deren reicher Erfahrungshintergrund ein Fachgebiet mit ausgesprochen großer Bandbreite und gesellschaftlicher Bedeutung umfasst. Dazu gehören zum Beispiel alle Formen von Schulabstinenz, Störungen der Aufmerksamkeit und Hyperaktivität, Angst- Zwangserkrankungen, Depressionen, selbstverletzendes Verhalten, Probleme in der Identitätsfindung und andere seelische Probleme von Kindern, Jugendlichen und Familien.
„Vereinzelt behandeln wir auch Kinder und Jugendliche aus Kriegsgebieten, die durch schwerwiegende Erfahrungen belastet sind und unter psychischen und psychosomatischen Symptomen leiden“, sagt Prof. Dr. Hubertus Adam. „Was wir in der Klinik erleben, ist immer ein Spiegel der Gesellschaft. Kriege, Krisen, Politik, soziale Aspekte gehören dazu. Psychische Erkrankungen stehen dazu in Beziehung und sind das Ergebnis einer komplexen Wechselwirkung individueller, familiärer, gesellschaftlicher und biologischer Wirkfaktoren. So können sich beispielsweise seelische oder körperliche Erkrankungen der Eltern auf Kinder und Jugendliche auswirken und bei ihnen psychische Störungen mit verursachen, verstärken oder aufrechterhalten.“
Dipl.-Psych. Uta Kranz erklärt dazu: „Häufig spielen Leistungs- oder Trennungsängste eine Rolle. So wollen zum Beispiel bei Schulverweigerung Kinder und Jugendliche nicht in die Schule hinein oder auch aus ihrem Zuhause nicht heraus. Psychologisch gesehen handelt es sich oft um ein Vermeidungsverhalten, das auf Angst, Depression oder einer Belastungsstörung basieren kann. Nicht zuletzt äußert sich das in der Folge auch in psychosomatischen Symptomen wie Kopf- oder Bauchschmerzen. Die betroffenen Kinder werden immer wieder krankgeschrieben, über Monate oder sogar länger als ein Jahr! Dabei wäre es wichtig, ihnen so früh wie möglich psychotherapeutisch zu helfen.“
„Aktuell bemerken wir eine deutliche Zunahme beim sogenannten Schulabsentismus“, ergänzt Prof. Dr. Hubertus Adam. „Der Fachbegriff meint das häufige unentschuldigte Fehlen in der Schule, ohne dass eine körperliche Ursache zugrunde liegt, verbunden mit einem erheblichen Widerstand gegen den Schulbesuch. Die Gründe dafür können ganz verschiedenartig sein, sodass es keine pauschal richtige Antwort auf die Frage gibt, wie damit umzugehen ist. Immer kommt es auf den Einzelfall an.“
Vor dieser Hilfe scheuen viele zurück. „Das hat sich in den letzten 25 Jahren schon ein bisschen zum Besseren gewandelt, aber nach wie vor haftet der Psychiatrie ein Stigma an“, sagt Prof. Dr. Hubertus Adam. „Wir versuchen deshalb immer wieder deutlich zu machen: Die Klinik ist kein Ort der Schande – für eine Krankheit muss man sich nicht schämen! Wer unter psychischen und psychosomatischen Beschwerden leidet, findet hier professionelle Hilfe.“
Seit 25 Jahren erfüllt die Tagesklinik dabei eine wichtige Funktion als Bindeglied. Mit ihrer Gründung wurde seinerzeit die Lücke zwischen dem stationären und ambulanten Bereich geschlossen und die stationäre psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung des Eberswalder Krankenhaues erweitert.
Im Ausbau der Familientherapie liegt eine große Chance
Zu den Zukunftszielen der Tagesklinik gehört es unter anderem, speziell für Mädchen und Jungen mit Essstörungen, die normalerweise vor allem stationär behandelt werden müssen, auch teilstationäre Hilfe anbieten zu können und ihnen damit gegebenenfalls zugleich auch Ängste vor einem stationären Aufenthalt zu nehmen. Auch soll sich die Tagesklinik familientherapeutisch weiterentwickeln, um noch jüngere Patienten im Alter von unter sieben Jahren mit den Eltern aufnehmen zu können.
„Im Ausbau der Familientherapie liegt eine große Chance“, sagt Prof. Dr. Hubertus Adam. Uta Kranz hat bereits in der auf Familientherapie spezialisierten Bernauer Tagesklinik „Koralle“ des GLG Martin Gropius Krankenhauses gearbeitet und verfügt als Familientherapeutin über einen großen fachlich und praktisch fundierten Erfahrungsschatz. Sie sagt: „Gerade für die jüngeren Kinder bringt die Familientherapie viele Vorteile. Wir arbeiten daran, sie in entsprechenden Formen, z.B. Arbeit in Multifamiliengruppen, auch in Eberswalde zu ermöglichen.“
Noch wird überlegt, ob das Jubiläum der Tagesklinik nicht Anlass einer Informationsveranstaltung in besonderem Rahmen sein sollte. Ein Termin steht bislang nicht fest. Es geht darum, das Angebot einer möglichst breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Uta Kranz fasst dieses in wenigen Worten so zusammen: „Eine moderne Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik mit Behandlungen in überschaubarem Zeitrahmen. Wobei es vorteilhaft ist es, wenn die Patientinnen und Patienten rechtzeitig zu uns kommen. Eltern, Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, aber auch Fachpersonal in der Jugendhilfe und in den Schulen sollten, wenn Probleme bei Kindern und Jugendlichen auftreten, miteinander reden, zusammenwirken, die vorhandenen Hilfsangebote kennen und bei Bedarf den Kontakt aufnehmen.“
















