Wandlitz: Gedenkfeiern, besonders wenn diese mit der deutschen Geschichte zu tun haben, sind wichtig, können aber zuweilen sehr trocken und bedrückend sein. In der Buchhandlung Wandlitz fand am 8. Mai 2025 eine musikalische Lesung zum 80. Jahrestag der Befreiung vom Hitlerfaschismus statt, die laut Gästen als „denkwürdig“ zu bezeichnen sei.
Was haben wir anders gemacht? 4 Menschen, die sich aktiv auf verschiedenste Arten gegen rechte Hetze und für eine demokratische offene Gesellschaft einsetzen, haben einen Abend „zusammengestrickt“, der vor allem eins sein sollte: POSITIV. Wir, das sind Isabelle Czok-Alm – Antifaschistin, Uli Kirsch – Liedermacher, Thomas Linke – Schauspieler und Melanie Brauchler – Buchhändlerin. Wir sind in vielen Netzwerken unterwegs und wissen daher, wie wichtig es ist, immer wieder zu zeigen: Wir sind mehr und wir geben unser Land nie wieder in faschistische Hände.
Nicht immer ist es leicht, nach erschreckenden Wahlergebnissen, nach abgelehnten Anträgen, nach Hilfseinsätzen für Geflüchtete, nach massiven Beleidigungen oder nach Vandalismus, nicht zu verzweifeln. Was hilft, ist die Unterstützung durch unsere Familien und Freunde. Und so wurde dieser Abend eine Mischung aus Liedern, die prägend für den Antifaschismus waren und Texten, von Zeitzeugen, die trotz aller Widrigkeiten, an das Gute im Menschen geglaubt haben. Aus heutiger Sicht erscheint einem ihre mentale Stärke als geradezu gigantisch. Thomas ist seit geraumer Zeit auf Gastspielreise mit dem Bühnenstück „Annes Kampf“.

Es ist ein imaginäres Gespräch zwischen Adolf Hitler und Anne Frank mit Originaltexten aus „Mein Kampf“ und „Anne Franks Tagebuch“. Diese Auftritte als Hitler laugen ihn physisch und psychisch aus. Die Betroffenheit und manchmal auch Angst, in den Gesichtern der Zuschauer zu erleben, aber vor allem die Gespräche nach den Vorstellungen zeigen ihm, wie wichtig diese Art der Darstellung einer absolut unvorstellbar grauenhaften Zeit ist. „Ich kann etwas tun. Ich bin nicht hilflos.“
Daher war es Thomas auch eine besondere Freude, die Rolle mal zu tauschen und aus Anne Franks Tagebuch, einige besonders positive Einträge vorlesen zu können. Isabelle würdigte die Texte und ungewöhnlich moderne Aufklärungsarbeit von Esther Bejarano mit der Rapgruppe Microphon Mafia und Uli spielte auch seine eigenen Texte. Diese gehen mir jedes Mal unter die Haut. Dem Publikum ging es wohl auch so, da es oft gewillt war, vor Begeisterung zu klatschen, dem Anlass entsprechend aber Zurückhaltung übte. Nach den letzten Tönen gab es jedoch kein Halten mehr, stehende Ovationen.
Und danach? So ein Abend löst unsere aktuellen Probleme im Land nicht. Wo fangen wir an, wo machen wir weiter. Einen kleinen Beitrag konnten wir durch die Spenden des Publikums für den Wandlitzer Jugendclub Bahnsteigkante leisten. Der Betrag von knapp über 500 Euro wurde noch vor Ort an Sylvia Swierkowski übergeben. Sie ist Streetworkerin und ein Teil des Teams der Jugendförderung Wandlitz. Und sie leistet mit ihrer Kollegin Yvonne Reinke grandiose Arbeit.
Durchschnittlich 60 Jugendliche besuchen die Angebote des Clubs. Und der Zulauf wächst. Wie wichtig diese Arbeit und die Gespräche mit demokratisch denkenden Bezugspersonen sind, zeigen die Gegenentwürfe der Jugendorganisationen, wie „Die jungen Adler“, „Deutsche Jugend voran“ oder „Letzte Verteidigungswelle“, die zunächst noch im Untergrund agiert haben. Auch in Wandlitz sind solche Gruppen aktiv.
Während ich das schreibe, kommt mir das doch sehr irreal vor. Ist es aber nicht. Ich wurde bereits mehrmals von Mitgliedern fotografiert oder gefilmt. Die Gesichter und Namen sind bekannt. Aber Hass und Hetze sind nicht mein Mittel. Eine Jugend, die von skrupellosen Mittelsmännern benutzt wird, um ihre Drecksarbeit zu erledigen, bekommt von mir Aufklärung, ein einladendes Lächeln und eine sinnstiftende Aufgabe. Und manchmal braucht es nur das! Denn du darfst alles erwarten, auch das Gute!
Melanie Brauchler
Buchhandlung Wandlitz