Vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg – und mit ihm die zwölf Jahre währende Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus. Doch die Erinnerung an die Opfer dieser Zeit bleibt eine bleibende Verpflichtung. Auch in Biesenthal hinterließ das NS-Regime tiefe Wunden: Menschen wurden entrechtet, vertrieben, ermordet – einfach weil sie jüdisch waren, eine Behinderung hatten oder nicht der nationalsozialistischen Ideologie entsprachen. Mehr als 100 Biesenthaler und Biesenthalerinnen wurden zu Opfern dieser Gewaltherrschaft.
Ab März 2026 sollen Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig an ihre Schicksale erinnern. Die kleinen, in den Boden eingelassenen Gedenktafeln werden vor den letzten frei gewählten Wohnorten der Verfolgten verlegt – ein sichtbares Zeichen gegen das Vergessen. Doch bevor die Steine ihren Platz finden, gibt es noch viel zu erforschen, zu erzählen und gemeinsam zu gestalten.
Eine Veranstaltung zum Mitmachen
Am 10. Mai laden die Initiative Bunt statt Braun und der Heimatverein Biesenthal zu einer besonderen Informationsveranstaltung ein.
- Ausstellung (14–17 Uhr): Präsentiert werden die bisherigen Rechercheergebnisse zu über 30 Adressen in Biesenthal, an denen NS-Opfer lebten. Mehr als 100 Namen wurden bereits dokumentiert – doch die Arbeit ist noch nicht abgeschlossen.
- Vortrag (14:30–15:15 Uhr): In einer kleinen Einführung stellt Elliot Müller die Ausstellung vor und gibt Einblicke in die Recherche-Arbeit.
- Workshop (ca. 16:30 Uhr): Viele historische Dokumente sind heute online zugänglich – von Deportationslisten bis zu Archivmaterialien. In einer praktischen Einführung werden wichtige Recherchequellen wie die Archive von Arolsen, Yad Vashem und das Gedenkbuch des Bundesarchivs vorgestellt. (Interessierte werden gebeten, einen Laptop oder ein Tablet mitzubringen und möglichst eigenes mobiles Internet)
Vier Geschichten, die berühren
Besonderes Augenmerk liegt an diesem Nachmittag auf vier Themen:
- Emilie Weprajetzky – geboren in Biesenthal, ermordet 1940 in der NS-„Euthanasie“-Anstalt Brandenburg an der Havel. Sie war eine von über 70.000 Menschen mit Behinderungen, die im Rahmen der sogenannten „Aktion T4“ systematisch getötet wurden.
- Das Landwerk Rüdnitz – ein jüdisches Ausbildungszentrum, das in den 1930er-Jahren vielen Jugendlichen zur Flucht aus Deutschland verhalf. Über 70 Namen von ehemaligen Teilnehmer:innen konnten bereits rekonstruiert werden. Einige Schicksale werden vorgestellt.
- Richard Lippschütz – einst Namensgeber der heutigen Rohrwiesensiedlung. Er musst sein Grundstück verkaufen, Biesenthal verlassen und starb 1941 in Berlin in einem Verhör durch die Gestapo. Seine Frau und seine beiden Söhne blieben in Biesenthal und überlebten.
- Die Familie Abraham – sie betrieben bis 1938 ein Geschäft für Kleidung und Porzellan am Markt. 1942 wurden die ganze Familie nach Auschwitz deportiert.
Erinnerung lebt durch Beteiligung
Die Veranstaltung soll nicht nur informieren, sondern auch zum Mitmachen anregen:
- Haben Sie alte Fotos, Briefe, Dokumente oder andere Gegenstände, die unser Wissen über die NS-Zeit in Biesenthal ergänzen können?
- Kennen Sie Erzählungen aus Ihrer Familie oder Nachbarschaft?
- Möchten Sie bei der weiteren Recherche helfen oder sich anders engagieren?
All das ist an diesem Nachmittag möglich. Die Veranstalter freuen sich über jedes noch so kleine Puzzleteil, das hilft, die Geschichte Biesenthals in dieser dunklen Zeit zu vervollständigen.
Praktische Informationen
- Ort: Mensa der Grundschule am Pfefferberg (Bahnhofstr. 9–12)
- Eintritt: frei – Spenden für die Stolpersteinverlegung sind willkommen
- Verpflegung: Kaffee und Kuchen gegen einen kleinen Unkostenbeitrag
- Anmeldung: nicht erforderlich
- Kontakt für Rückfragen: NS-Gedenken-Biesenthal@posteo.de
Warum das alles?
„Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“, heißt es im Talmud. Die Stolpersteine sind mehr als nur Gedenktafeln – sie sind eine Einladung, innezuhalten, nachzufragen und sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen. Sie erinnern daran, dass hinter jeder Statistik, hinter jedem Namen ein menschliches Schicksal steht.
Kommunen wie Biesenthal stehen heute in der Verantwortung, diese Erinnerung wachzuhalten – nicht als bloße Pflicht, sondern als Beitrag zu einer Gesellschaft, die Antisemitismus, Rassismus und Ausgrenzung entschieden entgegentritt.
Wir laden Sie herzlich ein, dabei mitzuwirken!