Eberswalde: Früher wurde geraucht, heute wird gedampft: Sogenannte Vapes oder E-Zigaretten sind im wahrsten Sinn des Wortes in aller Munde. Während der Rauch einer gewöhnlichen Zigarette neben dem Suchtstoff Nikotin auch Teer, Chrom, Benzol, Arsen und Blei, das radioaktive Pollonium sowie weitere, insgesamt mehr als 70 krebserregende Stoffe enthält und die schädliche Wirkung hinreichend belegt ist, fehlen bei den E-Zigaretten bisher noch Langzeituntersuchungen. Zumal die Palette der angebotenen Aromastoffe nahezu unüberschaubar breit ist. Auch psychoaktive Substanzen tauchen immer wieder darunter auf. Insbesondere vor diesen warnt Suchtberaterin Ingrid Neunhöffer von der GLG-Beratungsstelle für Abhängigkeitserkrankungen in Templin. Was sie dazu veranlasst, erläuterte sie im Interview.
Worin liegen nach Ihren Erfahrungen gesundheitliche Risiken der E-Zigaretten?
Ingrid Neunhöffer: Jeder über 18 kann heute in Tabakläden die bunten Verdampfer – Vapes genannt – erhalten und hat dabei eine riesige Auswahl. Es gibt sie in verschiedensten Geschmacksrichtungen und in hübschen Verpackungen, und anders als ihre heute doch eher geächteten Verwandten, die Zigaretten und Zigarren, gibt es sie auch ohne Nikotin. Dafür enthalten sie manche Stoffe, über deren Gesundheitsrisiko man wenig weiß oder auch solche, deren Risiko bekannt ist und die in diesen Angeboten nichts zu suchen haben. So konnten wir feststellen, dass E-Zigaretten, die künstliche Cannabinoide enthalten, sogar schon im Angebot einiger Tabakläden auftauchen. Bei diesen Stoffen dauert es meistens einige Zeit, bis sie wegen der Suchtgefahr verboten werden. Dann wird ein neuer Stoff gefunden und verkauft.
Was bewirken die Stoffe genau und warum werden sie verwendet?
Aktuell sprechen wir insbesondere von einem Cannabinoid, das 10-OH-HHC genannt wird. Die Klienten berichteten von einer sehr starken berauschenden Wirkung, verbunden teilweise mit Panikattacken und Schwindelgefühlen bis hin zu Kreislaufzusammenbrüchen. Sie hatten angenommen, dass es sich um den Wirkstoff THC handelt, also Cannabis. Hier geht es aber um eine künstlich erzeugte Chemikalie. Sie ist ein Abbauprodukt von HHC, Hexahydrocannabinol, dessen Herstellung und Vertrieb aufgrund der psychotropen Wirkung in Deutschland verboten worden ist. Die Wirkungen des neuen HHC-Verwandten sind unerforscht! Sie hängen in der Intensität von individuellen Faktoren wie Dosierung und persönlicher Toleranz ab. In der Werbung ist die Rede von Stimmungsaufhellung, Euphorie, tiefer Entspannung, Schmerzlinderung. Zugleich sind aber auch Übelkeit und Schwindel möglich, ein veränderter Herzrhythmus, Ängste und Panikattacken. Sogar Paranoia – schwerwiegende psychotische Zustände wie das Gefühl, bedroht zu werden, oder Verfolgungswahn.
Was empfehlen Sie als erfahrene Suchtberaterin?
Ich möchte eine Warnung vor dem Konsum dieses speziellen Stoffs aussprechen. Vor allem Eltern von Jugendlichen sollten darauf achten, ob ihre Kinder solche Vapes konsumieren. Dass diese in Zeitungsläden verkauft werden, hat mich schockiert. Dadurch können sie leicht unterschätzt werden. Die Wirkungen sind aber gravierend, es handelt sich um eine Droge! Die meisten Drogentests weisen sie nach, was beispielsweise zum Entzug des Führerscheins führen kann. Die gesundheitlichen Folgen sind nicht kalkulierbar! Wer aus reiner Neugier oder aus dem Bedürfnis, sich zu berauschen, dazu greift, geht ein schwer abzuschätzendes Risiko ein. Aus meiner jahrelangen Erfahrung rate ich dringend davon ab, E-Zigaretten mit dem Cannabinoid 10-OH-HHC zu nutzen. Als Suchtberater und Therapeuten erleben wir suchtbedingte Schicksale und menschliche Dramen, die oft nur schwer zu bewältigen sind und bei vernünftigem Handeln und rechtzeitiger Intervention hätten vermieden werden können. Wir bieten jedem, der Interesse an Informationen zu diesem und ähnlichen Themen hat oder der einen Ausweg aus einer Suchterkrankung sucht, unsere Hilfe an.
Kontakt zur Suchtberatung
GLG MSZ Uckermark gGmbH
Beratungsstelle für Abhängigkeitserkrankungen
in Templin: Waldstraße 31, 17268 Templin, Telefon 03987/74 800
In Angermünde: Rudolf-Breitscheidstraße 41, 16278 Angermünde, Tel. 03331/271-192
In Prenzlau: Stettiner Straße 121, 17291 Prenzlau, Tel. 03984/33-422