Wandlitz: Beim B-Planverfahren zur L 100 in Wandlitz geht es seit fast 6 Jahren um die künftige Bebauung der Prenzlauer Chaussee. Der Investor des sog. Czyborra-Baus an der Ecke zum Lanker Weg möchte auf dem nördlichen Nachbargrundstück einen fast gleichgroßen Gebäudekomplex errichten. Nach den Planungszielen der Gemeindevertretung soll es dort keinen weiteren derart massiven Bau geben. Sie plant auf diesem Grundstück im vorderen Bereich eine kleinteilige Bebauung mit einem zusätzlichen Baufeld im hinteren Bereich.
Eine Bauvoranfrage des Investors wurde am 18. Juni 2021 positiv beschieden.
Am 16.11.2021 fand eine Besprechung im Ratssaal statt, an der neben Bürgermeister, Hauptamtsleiter, externem Planer, drei leitenden Bauamtsmitarbeitern der Wandlitzer Ortsvorsteher, zwei seiner Ortsbeiräte sowie der Vorhabenträger samt Ehefrau und zwei weiteren Personen teilnahmen.
Man suchte und fand laut Protokoll einen Kompromiss für die Bebauung des besagten Grundstücks. Der Kompromiss entspricht weitestgehend der Planung des Investors. Zum Ausgleich für ein Zurückweichen der Baulinie um 5 Meter soll die Grundfläche des Baus von 1.080 qm auf 1.300 qm anwachsen. Außerdem soll die im Vorbescheid zugestandene Baumasse erhalten bleiben. Mit den von der Gemeindevertretung beschlossenen Planungszielen ist der „Kompromiss“ nicht vereinbar.
Die Verwaltung präsentierte den Kompromiss, den sie als „Variante B“ bezeichnete, in der nachfolgenden Gemeindevertretersitzung, wo er mehrheitlich abgelehnt wurde. Es blieb somit ausschließlich die zuvor von der GV beschlossene Planung Verfahrensgegenstand.
Wer große Worte liebt, könnte versucht sein, das, was nun folgte, als Putsch der hauptamtlichen Verwaltung gegen die Gemeindevertretung zu bezeichnen. Zu den Aufgaben der Verwaltung gehört die Vorbereitung des sog. Abwägungsbeschlusses, die Teil des Abwägungsverfahrens ist. Dabei veränderte die Verwaltung eigenmächtig den Gegenstand der Abwägung. Sie erklärte die Planung, die öffentlich ausgelegt worden war, nachträglich zur „Variante A“ und bezog die von der Gemeindevertretung bereits abgelehnte „Variante B“ in die von ihr erstellte Abwägungstabelle und deren Auswertung ein. In ihren Abwägungsvorschlägen gelangte die Verwaltung – wenig überraschend – zur Empfehlung der von ihr selbst kreierten „Variante B“.
Der Gegenstand des Planverfahrens wird in allen Phasen, vom Aufstellungsbeschluss über die Auslegung und Abwägung bis zum Satzungsbeschluss autonom von der Gemeindevertretung bestimmt. Jeder Eingriff in dieses Gestaltungsrecht durch die Verwaltung ist unzulässig. Das gilt erst recht für Eingriffe, mit denen bewusst auf das Ergebnis des Verfahrens Einfluss genommen werden soll. Die Rechtsfolgen eines solchen unzulässigen Eingriffs sind gravierend. Abwägungsfehler, zu denen fehlende Übereinstimmung zwischen Auslegungs- und Abwägungsgegenstand unweigerlich gehört, führen zu einer erheblichen Verzögerung des Verfahrens durch notwendige Wiederholung des fehlerhaften Verfahrensabschnitts und im Falle des Ausbleibens der Korrektur zur Angreifbarkeit des gesamten Bebauungsplans. Das gilt völlig unabhängig davon, ob sich die Gemeindevertretung, wie geschehen, letztlich für „Variante B“ oder für „Variante A“ entschieden hat.
Rätselhaft erscheint, was den Bürgermeister zu diesem fatalen Verfahrenseingriff bewogen haben mag. Schwer zu glauben ist, dass er entsprechend seiner Erklärung von der Umsetzbarkeit der im Bauvorbescheid genannten Baumaßnahme ausgegangen sein sollte. Welche Unerfahrenheit und welches mangelnde Verhandlungsgeschick müsste man ihm und dem an seiner Seite stehenden Hauptamtsleiter unterstellen, wenn man annehmen wollte, der Bürgermeister lasse sich auf eine schwerwiegende für die Ziele der Gemeinde nachteilige Planänderung ein, ohne im Gegenzug den Verzicht auf die weitergehenden Pläne des Investors zu erhalten? Dieser hat sich jedoch ausdrücklich alle Handlungsmöglichkeiten offengelassen. Es erscheint andererseits nicht ausgeschlossen, dass der Bürgermeister den gesamten Inhalt des ihm vorliegenden Bauvorbescheides vom 18.06.2021 zur Kenntnis genommen hat. Auf Seite 6 des Bescheides wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Baugenehmigung für das geplante Bauvorhaben wegen nicht ausräumbarer wasserrechtlicher Hindernisse zu versagen sei. Demnach bestand also möglicherweise gar keine Notwendigkeit für eine Verzichtserklärung des Investors, weil dessen Bauvorbescheid gar nicht umsetzbar war. Dann allerdings wäre unklar, woraus sich irgendein Handlungsmotiv oder gar Handlungsdruck für den Bürgermeister ergeben haben könnte. Plausibel wäre in diesem Fall nur ein massiver Handlungsdruck auf Seiten des Investors in Bezug auf eine Verzögerung des laufenden B-Planverfahrens zwecks Anpassung seiner Antragstellung und erst Recht in Bezug auf eine mögliche Anpassung des B-Plans an die Erfordernisse seiner Planung. Dass die Rückversetzung der Baulinie der „Variante B“ zu einer Anpassung an die im Bauvorbescheid genannte wasserrechtliche Problematik beitragen kann, erscheint denkbar.
Es ist zu wünschen, dass die Beteiligten bei der Fortsetzung des laufenden Planverfahrens darauf bedacht sein werden, sämtliche Gründe und Hintergründe ihrer Handlungsweisen transparent zu machen, denn es steht viel mehr auf dem Spiel als die Abmessungen eines Gebäudes.