Der 9. Mai 1950 gilt als Geburtsstunde der heutigen Europäischen Union. Bis heute steht der Tag der Vorlage der sogenannten Schuman-Erklärung für Zusammenarbeit, Frieden und Solidarität zwischen den europäischen Staaten. In diesem Jahr jährt sich dieser besondere Tag am 9. Mai 2025 zum 75. Mal. Anlässlich dieses Jubiläums hat die überparteiliche Europa-Union Brandenburg (EUBB) Johannes Funke (SPD), Vorsitzender des Ausschusses für Europaangelegenheiten und Entwicklungspolitik des Landtags Brandenburg, interviewt und nach seinem Blick auf Europa befragt.
EUBB: Herr Funke, der Europatag am 9. Mai wird in der gesamten Europäischen Union und auch hier bei uns in Brandenburg gefeiert – z.B. beim Potsdamer Europafest auf dem Alten Markt. Warum eigentlich und welche Bedeutung hat die Europäische Union für Sie ganz persönlich?
Funke: Drei geschichtsträchtige Ereignisse, die die heutige Europäische Union maßgeblich geprägt haben, durfte ich selbst miterleben. Erstens: Den Fall der Mauer im November 1989 und die Deutsche Einheit im Oktober 1990. Zweitens: Die Osterweiterung der Europäischen Union um zehn Staaten im Mai 2004. Und Drittens: Der Wegfall von Grenzkontrollen für Personen zwischen den meisten EU-Staaten im Rahmen des Schengenprozesses. Genau das werde ich eines Tages noch meinen Enkeln erzählen.
EUBB: Und welche Rolle spielt die Europäische Union für Brandenburg, für jede Einzelne und jeden Einzelnen von uns?
Funke: Die Freiheit zu arbeiten, wo man möchte und zu reisen, wohin man möchte, war innerhalb der EU noch nie so groß wie heute. Das allein sind Werte, für die es einzustehen lohnt. Bisher haben wir uns ja daran gewöhnt, dass Menschen zum Arbeiten zu uns kommen und wir gern in andere Länder reisen. Das kann natürlich auch umgekehrt sein. Das ist doch großartig!
Eine zweite zentrale Rolle spielen natürlich die EU-Fonds, die uns in Brandenburg viele Dinge überhaupt erst möglich machen. Sei es die Ansiedlung neuer Unternehmen, die Sanierung von Straßen und Brücken oder die Unterstützung der Landwirtschaft und des ländlichen Raums. So manches Dorfgemeinschaftshaus, mancher Spielplatz im ländlichen Raum oder manches Blühstreifenprojekt in unserer Kulturlandschaft wäre ohne EU-Mittel gar nicht möglich.
EUBB: Welche Herausforderungen und Entwicklungen sehen Sie derzeit, die die Errungenschaften der Europäischen Union gefährden?
Funke: Im Kern ist die EU auch ein Wirtschaftsraum mit freiem Warenverkehr. Freier Handel fördert den Wohlstand und der Wohlstand, den wir heute haben, verdanken wir in großen Teilen einem funktionierenden EU-Binnenmarkt. Wenn wir im harten globalen Wettbewerb bestehen wollen, dann wird das nur mit einer geschlossenen und starken EU gelingen können. Darum muss es gehen. Kein europäisches Land wäre alleine noch wettbewerbsfähig. Freihandelsabkommen wie das geplante Mercosur-Abkommen sehe ich durchaus positiv. In sensiblen Bereichen, wie bei den Agrarprodukten, muss natürlich Augenhöhe gewahrt bleiben.
EUBB: Seit dem 16. Januar sind Sie Vorsitzender des Ausschusses für Europaangelegenheiten und Entwicklungspolitik des Landtags Brandenburg. Was kann der Landtag tun, um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken?
Funke: Ich gehöre dem Europaausschuss des Brandenburger Landtages bereits seit 2019 an. Somit war mir klar, dass dieser Ausschuss die Funktion eines Türöffners für die internationalen Beziehungen des Landes hat. Noch in diesem Jahr werden wir den Botschafter der Republik Polen und den Botschafter des Königreichs Dänemark zu Gast haben. Wir werden uns mit der Weiterentwicklung des Weimarer Dreiecks und der Arbeit des Europarates zur Förderung von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit befassen. Das wiederum wird uns zwingen, über den Krieg in der Ukraine und unser Verhältnis zu Russland zu reden. Königsdisziplin von Abgeordneten ist und bleibt natürlich die Verabschiedung eines Haushaltes, der die zahlreichen grenzübergreifenden Initiativen und Projekte überhaupt erst möglich macht.
EUBB: Die durch die Bundesregierung fortlaufend verlängerten Grenzkontrollen entlang der deutsch-polnischen Grenze widersprechen nicht nur EU-Recht, sondern Sie behindern den grenzüberschreitenden Waren- und Personenverkehr zwischen unseren Ländern. Darunter leiden nicht zuletzt die Menschen vor Ort – beispielsweise in der Grenzregion Frankfurt (Oder) – Słubice. Wie stehen Sie zu den Grenzkontrollen?
Funke: Die Einschätzung teile ich voll und ganz. Gerade beim kleinen Grenzverkehr zeigt sich, ob das Zusammenwachsen innerhalb der EU funktioniert oder eben nicht. Das gilt nicht nur für die polnischen Nachbarschaftskommunen. Das trifft für die Kommunen an den deutschen Grenzen zu Österreich, der Schweiz, Frankreich, Luxemburg, Belgien oder den Niederlanden oder Dänemark genauso zu. Umso wichtiger ist es, dass die Grenzkontrollen entlang von Oder und Neiße auf ein absolut notwendiges Maß beschränkt werden. Genau das haben wir mit einem Landtagsbeschluss im Februar 2025 bereits von der Landes- und der Bundesregierung gefordert. Ohnehin darf sich die Eingrenzung irregulärer Migration nicht auf Maßnahmen an Oder und Neiße beschränken. Hier ist die gesamte EU gefordert.
EUBB: Vielen Dank für Ihre Zeit und das Gespräch!
Die EUBB ist der brandenburgische Landesverband der 1946 gegründeten überparteilichen und überkonfessionellen Europa-Union Deutschland (EUD). Die EUD ist mit rund 17.000 Mitgliedern die größte Bürgerinitiative für ein föderales Europa in Deutschland. Mehr zur EUBB erfahren Sie hier: https://www.eubb.de/