Panketal: Muss man wissen, was eine Oberblattstrupfe mit einem Oberblattstößel zu tun hat, was ein Kammdeckel ist und was ein Sellet? Hilft es einem Zeitgenossen des 21. Jahrhunderts, wenn er im Schlaf von der Grundhaltung in die Gebrauchshaltung und dann auch noch in die Arbeits-und Dressurhaltung wechseln kann – und das Ganze auch wieder rückwärts? Wer mit einem Pferdegespann fahren will, sollte das wissen und können. Es handelt sich um Fertigkeiten, die bis weit ins 20. Jahrhundert hinein für Hunderttausende Landwirte, Fuhrleute, Kutscher, Spediteure, Droschkenfahrer und nicht zuletzt Soldaten im Alltag unabdingbar waren. Heute braucht man sie in Freizeit und Sport, vielleicht ist es aber auch darüber hinaus von Bedeutung, die elementare Kulturtechnik des Gespannfahrens zu pflegen und lebendig zu erhalten. Jedenfalls liegt dieser Gedanke an einem Ort wie dem ehemaligen Berliner Stadtgut Hobrechtsfelde nahe.
Hobrechtsfelde war früher eines der Berliner Stadtgüter, die die Rieselfelder bewirtschafteten, in welche die Abwässer der rasant wachsenden Riesenstadt seit Ende des 19. Jahrhunderts geleitet wurden. Das Gut trägt den Namen des Erfinders dieses Systems, James Hobrecht. Heute wird dort diese Epoche der Agrargeschichte im Museumsspeicher vergegenwärtigt und gleichzeitig gezeigt, wie durch extensive Beweidung mit Rindern, Wasserbüffeln und Pferden viele Hundert Hektar ehemals extrem intensiv bewirtschafteter Agrarflächen allmählich in eine halboffene Landschaft mit hoher Artenvielfalt verwandelt werden. Die Berliner Forsten, der Naturpark Barnim, die Agrar GmbH Hobrechtsfelde und nicht zuletzt das Unternehmen Pferdekultur Hobrechtsfelde von Antonia Gerke arbeiten gemeinsam an diesem Bildungsprojekt.
Und damit sind wir wieder beim Gespannfahren. Antonia Gerke hat sich mit ihrer „Pferdekultur“ zum Ziel gesetzt, einen artgerechten, vom Wissen um Biologie und Verhalten geprägten, von falscher Vermenschlichung freien Umgang mit dem Partner Pferd zu fördern. Das geschieht in verschiedenen Kursen für Erwachsene und in der Ponyschule für Kinder ab vier Jahre. Das geschieht aber auch bei Exkursionen zu den „Wildpferden“ der polnischen Robustrasse Konik, die mit möglichst geringem Kontakt zu Menschen auf den riesigen Beweidungsflächen leben.
Es war Antonia Gerkes Idee, das Spektrum praktischer Pferdekultur in Hobrechtsfelde um das Fahren zu erweitern und einige Mitarbeiter ihres Netzwerks dafür zu motivieren, den Kutschenführerschein zu machen. Sie lud dazu ihre ehemalige Reit- und Fahrlehrerin Ulrike Dose-Dibbern aus Elmshorn zum Unterrichten nach Hobrechtsfelde ein. Vor diesen Tagen intensiven Trainings bereiteten sich die Führerscheinaspiranten Maria Lackeit, Jens Wienbrack und Eckhard Fuhr über Wochen auf den Kurs vor, nahmen Geschirre auseinander und schnallten sie wieder zusammen, studierten die Fahrlehre des Benno von Achenbach, des Großmeisters des sicheren, zweckmäßigen und Pferde schonenden Fahrens, übten die Leinengriffe am Fahrlehrgerät und spannten auch schon einmal den wackeren Shetlandpony-Wallach Blacky vor den Sulky.
Ulrike Dose-Dibbern brachte für den Fahrunterricht ihre eigene Kutsche und ihr eigenes Ponygespann mit und viel Geduld und Einfühlungsvermögen für die drei Prüflinge. Mit ihrer reichen Erfahrung und ihrem fundierten theoretischen Wissen als zertifizierte Trainerin der Reiterlichen Vereinigung (FN) führte sie alle drei Anwärter zum Erfolg, also zum FN-Kutschenführerschein A für Privatpersonen. Danke dafür!