Weltweit befinden sich im Jahr 2022 zu über 108 Millionen Menschen vor Kriegen, Konflikten, Gewalt, Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen auf der Flucht. Davon sind 35,3 Millionen Flüchtlinge, die also eine internationale Grenze überquert haben, um Sicherheit zu finden. Der größere Teil, 62,5 Millionen Menschen, sind Binnenflüchtlinge. Dies bedeutet einen neuen Höchststand. Die weltweite Situation lässt aufgrund zahlreicher Kriegs- und Krisenherde sowie aufgrund der Klimafolgen erwarten, dass die Fluchtbewegungen weiter zunehmen werden.
Allein die Zahl der Flüchtlinge aus der Ukraine stieg innerhalb eines Jahres von 27.300 auf 5,7 Millionen Ende 2022 – die schnellste Entwicklung einer Flüchtlingssituation seit dem Zweiten Weltkrieg. Europa und die Türkei haben insgesamt 36 Prozent der Flüchtlinge aufgenommen. Dabei ist Deutschland eines der größten Aufnahmeländer weltweit. Ende 2022 wurden hier 2,1 Millionen Flüchtlinge und damit 6 Prozent der Flüchtlinge weltweit registriert.
Dies stellt die insgesamt rund 11.000 Städte und Gemeinden in Deutschland vor immense Herausforderungen. Die Geflüchteten wurden in den Städten und Gemeinden aufgenommen. In Zeiten eines ohnehin akuten Wohnraummangels, tausender fehlender Kitaplätze und eines ausgelasteten Bildungssystems macht dies deutlich, dass die Kommunen mit großem Engagement für die Solidarität mit der Ukraine und anderer Kriegs- und Krisenregionen einstehen und sich zudem auch deutlich zu ihren humanitären Pflichten bekennen.
Die Städte und Gemeinden sind mittlerweile längst an ihrer Leistungsgrenze angelangt. Weitere Unterbringungskapazitäten lassen sich nicht mehr oder nur noch unter größten Schwierigkeiten generieren. Die Situation in den Kitas und den Schulen ist so angespannt, dass sich daraus Gefahren für den Bildungserfolg der Kinder und Jugendlichen ergeben. Die Integrationskurse sind überlaste. Gelingende Integration ist unter solchen Rahmenbedingungen nicht möglich; sie findet vieler Orts schlicht nicht mehr statt. Dazu trägt insbesondere auch ein ganz erheblicher und nicht kurzfristig behebbarer Mangel an Personal bei, das für die Bewältigung der vielfachen Aufgaben in der Unterbringung, der sozialen Betreuung, in den Kitas und Schulen, den Jobcentern und Sozialämtern sowie nicht zuletzt den kommunalen Ausländerbehörden benötigt wird.
Neustart in der Migrationspolitik
Ein weiter so kann es in der Migrations- und Flüchtlingspolitik nicht geben. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordert einen Neustart in der Migrationspolitik. Die Migration muss in der EU und in Deutschland auf die tatsächlichen Schutzbedürftigen begrenzt und die Unterbringung, Versorgung und Integration auskömmlich und dauerhaft von Bund und Ländern finanziert werden. Dazu gehört auch, dass diejenige ohne Bleibeperspektive in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden. Wir müssen nachhaltige Strukturen in den Kommunen aufbauen, um für weitere Flüchtlingsbewegungen vorbereitet zu sein. Notwendig sind aus Sicht der Kommunen die Verankerung einer neuen „Gemeinschaftsaufgabe Integration“ im Grundgesetz und die Schaffung eines Migrationsgesetzbuches, in dem die Regelungen gebündelt werden. Im Rahmen des EU-Kompromisses zur Asyl- und Migrationspolitik sind mit dem EU-Außengrenzverfahren und einer gemeinsamen Verantwortung bei der Verteilung der Geflüchteten wichtige Schritte gemacht worden. Nun geht es um die Umsetzung in den EU-Staaten. Darüber hinaus bedarf es einer Harmonisierung der Integrations- und Sozialleistungen innerhalb der EU.