Es ist mit dem Corona-Virus etwas in den Hintergrund getreten, aber die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Unser Land hat ein massives Problem in der Altenpflege. Es fehlen 120000 Pflegekräfte, deren Bezahlung bisher nicht dem Wert ihrer Leistung entspricht. Hier geht es nicht um fünf oder zehn Prozent mehr, eher um eine Verdoppelung. Der Eigenanteil der Pflegebedürftigen, die in Heimen betreut werden, steigt unaufhörlich und hat im Bundesdurchschnitt schon 1940 Euro im Monat erreicht, was immer mehr Betroffene zum Gang auf das Sozialamt zwingt, weil ihre Renten dafür nicht ausreichen. Und die Zahl der Pflegebedürftigen wächst stetig. Prognosen besagen, dass am Ende des Jahrzehnts 4,1 Millionen Menschen einen Pflegebedarf haben werden.
Gerade weil die Pflege eine der Kernfragen der grundgesetzlich verankerten Menschenwürde berührt, muss die Bundesregierung den Pflegekollaps verhindern. Immerhin, die Problemlage ist erkannt, ein wirkliches Gesamtkonzept dagegen nicht zu erkennen.
Das liegt vor allem daran, dass sich insbesondere die CDU weigert, an zwei Grundfesten zu rütteln. Um eine menschenwürdige Pflege für alle Beteiligten zu organisieren, muss zunächst die zum Teil hemmungslose Profitmacherei privater Pflegedienste auf Kosten der Beschäftigten und der Pflegebedürftigen gestoppt werden. Gesundheit und Pflege sind ein Dienst am Menschen und nicht dazu da, Einzelne reich werden zu lassen. Zum anderen brauchen wir für Gesundheit und Pflege eine Bürgerversicherung, in die alle mit Einnahmen einzahlen und Beiträge nach ihren gesamten Einkommen zahlen, so dass dadurch die Pflegekosten komplett finanziert werden. Das Risiko, pflegebedürftig zu werden, besteht für jede und jeden. Deshalb muss die Pflege von der Gesellschaft als Solidargemeinschaft komplett abgesichert werden.
Eine Untersuchung im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung, die sozialistischer Umtriebe unverdächtig ist, hat kürzlich offengelegt, dass in der Krankenversicherung gesetzlich Versicherte bis zu 145 Euro pro Monat sparten, wenn auch die bisher privat Versicherten in die gesetzlichen Kassen einzahlten. Das zeigt schon, welches Potential in einer Bürgerversicherung liegt, um Gesundheit und Pflege für alle auf hohem medizinischen Niveau und ohne zusätzliche Eigenbeiträge zu finanzieren. Privatversichert kann das Einzelzimmer sein, nicht jedoch die gesundheitlichen und pflegerischen Leistungen.
„GESUNDHEIT UND PFLEGE SIND EIN DIENST AM MENSCHEN UND NICHT DAZU DA, EINZELNE REICH WERDEN ZU LASSEN.“
Die richtigen Überlegungen und Gesetzesinitiativen, die Pflegekräfte besser zu bezahlen, dürfen nicht dazu führen, dass die Eigenanteile der Pflegebedürftigen weiter ins Uferlose steigen. Anhebungen von 300 und mehr Euro pro Monat waren gerade in den letzten Jahren keine Seltenheit und führten bei vielen Betroffenen zu Existenzängsten. Deshalb müssen die Pflegekosten voll von der Pflegeversicherung getragen, die Ausgaben für Investitionen in den Heimen und für die Ausbildung von Pflegekräften aus Steuermitteln finanziert werden, so dass von den Pflegebedürftigen nur noch die Kosten für Unterkunft, Speisen und Getränke zu tragen wären. Das sind momentan im Bundesdurchschnitt monatlich 756 Euro.