Trotz erheblicher Proteste durch Migranten- und Flüchtlingsverbände soll es einen Rückschritt in der Partizipation der Menschen mit Migrationshintergrund geben. Dabei entsteht ein doppeltes Demokratiedefizit.
Mitbestimmung lebt davon, dass Menschen ihre eigenen Vertreter selber wählen können. Auf diesem Wege erhält man die höchste Form der Legitimation und Identifikation. Dies ist in allen rechtsstaatlichen, demokratischen Strukturen anerkannt. Denn ein Grundpfeiler der Selbstbestimmung besteht darin, dass man nicht nur kandidieren kann (passives Wahlrecht), sondern auch selber auswählen kann (aktives Wahlrecht). Letzteres soll komplett abgeschafft werden. Dies ist in Brandenburg beispiellos.
Doch auch der Einwand, dass andere Beiräte (z.B. Seniorenbeirat) indirekt durch den Kreistag gewählt werden, verfängt nicht. Denn in diesem Falle waren und sind die Senioren bei der Wahl zum Kreistag wahlberechtigt, das heißt, sie wählen ihre Kreistagsabgeordneten, die dann die Mitglieder des Seniorenbeirates wählen. Es ist also eine mittelbare Legitimation gegeben. Im Falle des Beirates für Migration und Integration liegt der Fall jedoch anders. Die große Mehrheit der Migranten ist nämlich bei der Wahl des Kreistages nicht wahlberechtigt. Die Auswahl erfolgt also durch die Personen, die nicht durch die Gruppe der zu Vertretenden gewählt bzw. legitimiert worden ist.
Ohnehin stellt sich die Frage, wie Migrantinnen und Migranten Integration in staatliche Prozesse und Mitwirkung an demokratischen Abläufen näher gebracht werden sollen, wenn ihnen das einzige Wahlrecht, das sie haben, genommen wird. Besorgniserregend ist, dass es auf den Protestbrief von 14 Migrantenverbänden keinerlei Reaktionen aus dem übrigen politischen Raum gegeben hat. Wenn Jüdische Gemeinde, Muslimisches Netzwerk, St.-Georg-Klosterstiftung und die Vereinigung der Holocaustüberlebenden Barnim nebst vielen anderen gemeinsam für Migrantenrechte werben und sich hierzu an die Kreispolitik wenden, ist es befremdlich, wenn diese nicht reagiert, sich aber in Zukunft ausbedingt, darüber zu entscheiden, wer die richtigen Vertreter für die Migrantinnen und Migranten sein sollen.
Hierzu erklärt Kreistagsabgeordneter Sven Weller: „Der Beirat hat zahlreiche überzeugende Vorschläge zur Erhöhung der Wahlbeteiligung und Vereinfachung des Wahlprozederes gemacht. Diese sollte man umsetzen und bewerten, bevor man das fatale Signal der Abschaffung der Wahl sendet.“
BVB / FREIE WÄHLER fordert daher die Kreisverwaltung auf, die Vorlage zur Abschaffung der Direktwahl zurückzuziehen. Dass die Wahl angeblich zu viel kostet und viele Briefwahlunterlagen zu versenden sind, kann nicht ernsthaft als Argument für einen derartigen Schritt herhalten. Demokratie kostet Geld und das sollten uns Integration und Partizipation gerade in der jetzigen Zeit wert sein.