„Wir dürfen nicht leise sein, was unsere Arbeit mit Geflüchteten betrifft.“ Martin Wulff, Geschäftsführer der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal, betonte gleich zu Beginn des Besuches der Ministerin, dass die Stiftung klar auf der Seite von Geflüchteten steht.
Das ist auch die Sicht von Ursula Nonnemacher. Sie sagte: „Ich möchte in meiner Sommertour positive Beispiele in der Arbeit mit Geflüchteten in den Vordergrund stellen. Es kann gelingen, geflüchtete Menschen zu integrieren.“ Da war sie Im Sydower Feld in Biesenthal am richtigen Ort. Seit Herbst vergangenen Jahres leben im ehemaligen Gebäude der Hoffnungstaler Werkstätten Geflüchtete. Derzeit sind es gut 30 Menschen aus neun Nationen.
Biesenthal beweist: Integration gelingt
Dass auf eine Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete im Barnim nicht nur mit Ablehnung wie in Klosterfelde reagiert werden kann, stellen die Anwohner des Wohnheims in Biesenthal unter Beweis. Die Willkommensinitiative, bereits vor vielen Jahren gegründet, zeigt, wie gelungene Integration einer Kommune aussehen kann. Die Initiative arbeitet eng mit der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal zusammen. Im Vorfeld der Eröffnung im Herbst vergangenen Jahres informierte die Stiftung über das Vorhaben. Und traf auf das Engagement und die Erfahrung der Biesenthaler Initiative.
Der interkulturelle Gemeinschaftsgarten bringt Menschen zusammen
Das neueste Ergebnis gelungener Integration ist der interkulturelle Gemeinschaftsgarten. Salat und Gemüse kann bereits geerntet werden. Zucchini, Tomaten, Auberginen und Gurken gedeihen prächtig. Die Idee entstand gleich nachdem bekannt wurde, dass es hier ein Übergangsheim geben würde, in der Willkommensinitiative. In Zusammenarbeit mit dem Verein Lokale Agenda 21 Biesenthal wurden Fördermittel aus dem Umweltministerium Brandenburg beantragt. Mit der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal wurde ein Pachtvertrag für das Grundstück gemacht. Dann konnte es losgehen. Der Boden wurde gelockert und gefräst, mit reichlich Kompost aufgebessert und schließlich im Mai bepflanzt. Jedes Mal waren neben den Aktiven der Willkommensinitiative 10 bis 15 Personen aus dem Heim mit großem Engagement dabei. Frauen, Männer und Kinder aus Ländern wie Irak, Jemen oder Afghanistan. Um das nötige Gartenwissen anzueignen, wurden bereits zweimal in Zusammenarbeit mit dem Naturpark Barnim Fachworkshops organisiert. Vermittelt wurden dabei die Grundlagen zu ökologischem und wassersparendem Anbau von Gemüse sowie dessen Pflege. Ein Mitglied aus der Initiative, selbst als Flüchtling vor Jahren aus dem Irak gekommen, machte das Ganze durch seine ehrenamtliche Übersetzungsarbeit möglich.
Eine Vielzahl von Aktivitäten schafft Begegnung und hilft beim Kennenlernen von Land und Leute
„Solche Aktionen verbinden Menschen und fördern die Gemeinschaft“, weiß Elke Eckert. Sie ist Mitglied der Willkommensinitiative. Doch das ist nicht die einzige Aktivität. Regelmäßig findet ein Begegnungscafé im Kulturbahnhof Biesenthal statt, ein gemütliches Wohnzimmer wurde im Heim gestaltet, deutsche und geflüchtete Kinder trafen sich zum Spielen und Kinderyoga im Kulturbahnhof. Im August wird noch ein Schwimmkurs am Wukensee starten. Zentral sind die Sprachkurse, die neben dem Erlernen von Deutsch der Schlüssel für Arbeit und Freundschaften sind. Dafür stellt der Kulturbahnhof Räume zur Verfügung. Wichtig für die Arbeit in der Initiative sind Geflüchtete, die schon vor mehreren Jahren nach Deutschland kamen und als Übersetzer und Vermittler die Kontakte mit den Neuankömmlingen erleichtern und ermöglichen. Von einem Anwohner wurden gespendete Räder in Stand gesetzt und verteilt. Die meisten Frauen waren noch nie auf einem Rad gesessen und erhielten Unterricht für ihre ersten Touren rund um das Heim. Ein Bewohner aus dem Irak erwies sich als Fahrradmonteur und werkelt seither immer mit, wenn es darum geht, ein neues Rad herzurichten. Viel Spaß gibt es regelmäßig beim gemeinsamen Zubereiten und Genießen von traditionellen Speisen der Küche ferner Länder. Von dem leckeren Essen konnten sich auch schon Biesenthalerinnen und Biesenthaler beim Regionalmarkt im Mai und beim Vereins- und Stadtfest im Juni überzeugen. „Essen geht immer“, weiß Eckert. Das hilft Vorurteile abzubauen.“
Es fehlt grundsätzlich an Infrastruktur – und das nicht für die Arbeit mit Geflüchteten
Doch Integration braucht auch Infrastruktur. „Es gibt zu wenig Wohnraum, es gibt zu wenig Ärzte, es gibt zu wenig Kitaplätze“, sagt Migrationsberaterin Christiane Goldschmidt. Ursula Nonnemacher und Daniel Kurth, Landrat des Landkreises Barnim, kennen das Problem. „Vor zehn Jahren gingen wir in Brandenburg noch davon aus, dass die Bevölkerung schrumpft. Inzwischen vermelden wir als einziges Bundesland steigende Zahlen“, informiert die Ministerin. Das bringe grundlegende Infrastrukturthemen mit sich, die leider immer wieder den Geflüchteten angelastet werden. Prominentes Beispiel sei die hitzige Auseinandersetzung in Klosterfelde. Das Thema werde von manchen Gruppen instrumentalisiert, um zu verhindern, dass dort Geflüchtete aufgenommen werden.
Dennoch: Inzwischen hat es die Initiative hinbekommen, Wohnungen in Biesenthal zu vermitteln, auch an Großfamilien. Und es ist keine Einbahnstraße. Geflüchtete, die schon seit vielen Jahren in der Region leben, sind an der Seite, vermitteln und leisten wertvolle Dienste.
Das Land Brandenburg unterstützt finanziell Unterstützungsprogramme
Neue Unterstützung kommt vom Ministerium. Am 1. August konnte das Land zwei AMIF-Zuwendungsbescheide („Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds“) entgegennehmen. Mit dem Projekt „Hürden nehmen – Psychosoziale Versorgung für Geflüchtete“ (AMIF-Fördersumme: rund 9,7 Mio. Euro) sollen psychisch beeinträchtigte Menschen mit Verfolgungs-, Kriegs- oder Fluchterfahrung durch acht regionale Beratungsstellen in Brandenburg psychosozial versorgt werden. Das Projekt „Verbesserung der Aufnahmebedingungen für Schutzsuchende, Schutzberechtigte und vorübergehend Schutzberechtigte in Brandenburg“ (rund 4,2 Mio. Euro AMIF-Mittel) will u.a. Unterbringung und soziale Beratung verbessern.
Die Ministerin berichtet auch von einem Programm zum Dolmetschen per Video oder Telefon. Das Programm ist seit Juli etabliert. Bislang haben sich laut Integrationsministerium in den ersten drei Wochen mehr als 360 Einrichtungen dafür angemeldet. Ursula Nonnemacher ist überzeugt: „Das neue Dolmetsch-Angebot wird die Arbeit für Geflüchtete deutlich verbessern.“ Damit werde es leichter, Sprachbarrieren zu überwinden. Soziale und medizinische Einrichtungen, Beratungsstellen und Behörden in Brandenburg können die Dolmetscherleistungen per Video und Telefon künftig kostenlos nutzen – etwa Kitas, Schulen, Sozial- und Gesundheitsämter sowie Jobcenter und die Polizei. Mehr als 50 verschiedene Sprachen werden abgedeckt.
Teamwork ist die Basis für erfolgreiche Integration
Integration ist Teamwork. Der Erfolg braucht das enge Zusammenspiel von Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft. „Die Stiftung ist dankbar für das Engagement der Willkommensinitiative.“ Das sei eine wichtige Ergänzung für die sozialarbeiterische Arbeit in der Unterkunft, so Ralf Klinghammer, Bereichsleiter Migration in der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal.
„Wir haben gemeinsam viel hinbekommen“, sagt dann auch Elke Eckert. Sie ist stolz. „Und wir zeigen, dass es geht. Wir reden darüber, und wir sind sichtbar. Integration ist ein langer Weg, aber machbar.“