Wandlitz: Mein vorangegangener Bericht, erschienen im Juni-Heft dieses Jahres, endet mit Fragen zur Umsetzbarkeit des den Planzielen der Gemeinde widersprechenden Bauvorhabens eines Investors, auf die es mittlerweile klare Antworten gibt.
Es hat sich die Vermutung bestätigt, dass der Abwägungsbeschluss der Gemeindevertretung 05.05.2022 auf falschen Tatsachengrundlagen basiert.
Die durch Erklärungen des Bürgermeisters hervorgerufene Annahme, der Investor könne sein Bauvorhaben aufgrund eines positiven Bauvorbescheids auch gegen einen bevorstehenden Bebauungsplan durchsetzen, hat sich als falsch erwiesen. Ebenso falsch war die Annahme der Gemeindevertretung, dass für den von ihr am 05.05.2022 beschlossenen Planentwurf „Variante B“ irgendeine Realisierungschance bestünde.
Tatsächlich hat der Investor wenige Tage nach dem die Gemeindevertretung in der Hoffnung auf seine Einigungsbereitschaft die Kompromissvariante „B“ beschlossen hatte, einen Bauantrag gestellt. Er entspricht mit Ausnahme der Tiefgarage, die wegen der im Bauvorbescheid genannten wasserrechtlichen Bedenken grundlegend umgeplant werden musste, dem ursprünglichen Bauvorhaben des Investors. Seit dem 30.08.2022 liegt der Bauantrag dem Bürgermeister zur Stellungnahme vor.
Über den Bauantrag wird laut der zuständigen Unteren Baubehörde nach den Regeln über die Zulässigkeit eines Bauvorhabens im unbeplanten Innenbereich, also gemäß § 34 BauGB zu entscheiden sein. Auf ein Baurecht aus dem Bauvorbescheid kann sich der Investor nicht berufen. Gegenstand seiner Bauvoranfrage und damit auch des Bauvorbescheides ist ein einheitliches konkret zeichnerisch ausgearbeitetes Bebauungskonzept, ein Gesamtpaket, das nicht nachträglich aufgeschnürt und in Einzelteilen verändert werden kann. Die Bindungswirkung beschränkt sich von vornherein auf den unveränderten Gegenstand des Vorbescheids.
Die Zeit spielt weiterhin dem Investor in die Hände.
Zum einen fühlt sich der Bürgermeister an die Anweisung zur äußersten Verfahrensbeschleunigung, die ihm durch Gemeindevertreterbeschluss vom 03.12.2020 erteilt wurde, offenbar seit langem nicht mehr gebunden. So hat er bis zur Umsetzung der durch den Beschluss vom 05.05.2022 notwendig gewordenen erneuten öffentlichen Auslegung des Planentwurfs mehrere Monate verstreichen lassen. Ein Abwägungsbeschluss steht frühestens im Dezember des Jahres an, so dass ein Satzungsbeschluss in diesem Jahr nicht mehr zu erwarten ist.
Zum anderen muss sich der Investor vor einer B-Plan Satzung, gleich welchen Inhalts, ohnehin nicht fürchten, denn sie wird, wenn die Dinge weiterhin nach dem Plan des Bürgermeisters verlaufen, auf jeden Fall unwirksam und daher anfechtbar sein.
Die Ursache für die Unwirksamkeit des gesamten Verfahrens wurde in dem Abwägungsvorgang gelegt, der dem GV-Beschluss vom 05.05.2022 zugrunde liegt, und zwar maßgeblich durch den Bürgermeister selbst.
Der Bürgermeister hat die Aufklärung der Gemeindevertreter über den im Bauvorbescheid enthaltenen Hinweis der mangelnden Genehmigungsfähigkeit des Bauvorhabens unterlassen. Er hat dadurch den falschen Eindruck erweckt, der Investor könne sein Bauvorhaben, ohne eine Planänderung vornehmen zu müssen, allein durch Berufung auf die Bindungswirkung des Vorbescheids auch gegen einen künftigen Bebauungsplan durchsetzen. Diesen falschen Eindruck hat der Bürgermeister verstärkt, indem er mehrfach und ohne Einschränkung mündlich auf das bestehende Baurecht des Investors verwies.
Ob der Bürgermeister sich selbst und/oder die Gemeindevertreter getäuscht hat, ist für den hervorgerufenen Abwägungsfehler völlig bedeutungslos.
Es kommt allein darauf an, dass die Gemeindevertreter irrtümlich angenommen haben, wegen des durch den Bauvorbescheid gesicherten Baurechts des Investors bezüglich der Planungsziele der Gemeinde keine unabhängige Gestaltungsmöglichkeit mehr zu haben. Deshalb haben sie die in Wirklichkeit fortbestehenden Möglichkeiten zu eigener Plangestaltung nicht zur Kenntnis genommen und entsprechend auch nicht in ihre Abwägung einbezogen. Es liegt also ein Abwägungsfehler in Form eines umfassenden Abwägungsdefizits vor. Also ein besonders gravierender Abwägungsfehler, der nicht nur den Abwägungsbeschluss vom 05.05.2022 unwirksam macht, sondern auch das gesamte weitere Verfahren, das hierauf beruht.
Tatsächlich hat sich das B-Planverfahren zur L 100, Bereich 2 in seinem 6. Jahr also vom Bummelzug zur Geisterbahn gewandelt, in der man sich mit dem Trugbild einer „Kompromissvariante B“ noch beschäftigen wird, wenn der Bau des Investors, den sie zu verhindern vorgibt, längst Stein geworden ist.
Die verheerenden Folgen der Unwirksamkeit des entstehenden B-Plans gehen weit über das Grundstück des Investors hinaus.
Das Planverfahren betrifft viele weitere Grundstücke, auf deren Bebauung durch die Festsetzungen des Plans in Übereinstimmung mit den Gemeindezielen Einfluss genommen werden soll.
Die Korrektur der am 05.05.2022 erfolgten fehlerhaften Abwägung ist daher unumgänglich und dringend geboten.
Tatsächlich können, wenn in diesen Tagen entschlossen gehandelt wird, sogar noch die langjährig mehrheitsfähigen gemeindlichen Planungsziele gerettet werden. Notwendig dazu ist die Neufassung des unwirksamen Abwägungsbeschlusses vom 05.05.2022 nach sachgerechter Abwägung des Ergebnisses der vorherigen Auslegung. Die Abwägungstabelle, die der Gemeindevertretung am 05.05.2022 vorlag, liegt der Verwaltung griffbereit vor. Sie ist in nur wenigen Punkten, die die Abwägung der Variante B betreffen, anzupassen und danach beschlussreif. Auch die Einarbeitung der Abwägungsergebnisse in den zu beschließenden Satzungsentwurf ist in kürzester Zeit zu bewältigen. Mit der anschließenden Veröffentlichung läge ein wirksamer Bebauungsplan vor, den die zuständige Behörde bei der Entscheidung über den Bauantrag des Investors zu beachten hätte.
Genau diesen Weg der notwendigen Fehlerkorrektur hat die Fraktion die Linke/Grüne/SPD/UWG offenbar eingeschlagen, als sie zur Hauptausschusssitzung am 10.10.2022 und zur Gemeindevertretersitzung am 20.10.2022 mehrere Beschlussanträge vorlegte. Statt selbst vor die Welle zu kommen und dem Anliegen der Gemeindevertreter durch Zuarbeit notwendiger Unterlagen Hilfestellung zugeben, hat sich der Bürgermeister für Gegnerschaft entschieden. Er hat zunächst sogar der Aufnahme in die Tagesordnung widersprochen und in der Haupausschusssitzung am 10.10.2022 unter Berufung auf seine amtliche Beratungspflicht angedroht, die beantragten Beschlüsse zu beanstanden, statt sie umzusetzen. Nach der Behauptung des Bürgermeisters hat die Neufassung des tatsächlich fehlerhaften Abwägungsbeschlusses vom 05.05.2022 die Nichtigkeit des nachfolgenden Verfahrens zur Folge, weil sie einen Eingriff in ein laufendes Verfahren darstellt. Die zur Stützung dieser Behauptung in der GV-Sitzung vom 20.10.22 vorgelegte Stellungnahme des Anwalts der Gemeinde, beschränkt sich, wie bei anwaltlichen Kurzgutachten üblich, auf die Beantwortung der gestellten Fragen. Hierzu gehörte die entscheidende Frage nach der Fehlerhaftigkeit des Abwägungsbeschlusses vom 05.05.2022 offensichtlich nicht. Selbstverständlich macht es einen Unterschied, ob willkürlich in ein bis dato fehlerfreies Verfahren eingegriffen wird, oder, ob der Eingriff zur Fehlerbehebung erforderlich ist.
Den Beweis dafür, dass seine Baupläne entgegen der Darstellung des Bürgermeisters durch einen vor der Baugenehmigung in Kraft tretenden B-Plan durchkreuzt werden können, liefert der Investor interessanter Weise selbst.
Er ließ seinen Rechtsvertreter ein Schreiben vom 14.10.2022 an sämtliche Gemeindevertreter richten. Darin weist er auf Schadensansprüche gegen die Gemeinde hin, „weil mit den Beschlüssen ein … Entzug von Baurechten verbunden ist.“
Dennoch leugnet der Bürgermeister bisher jede Fehleinschätzung in dem laufenden Verfahren. Er ignoriert die vom Investor vorgenommenen für die Wirkung des Bauvorbescheids schädliche Planänderung ebenso wie das Scheitern der in Aussicht gestellten Einigung über die „Kompromissvariante B“. Auf Befragen nach dem Stand seiner Verhandlungsbemühungen erklärte der Bürgermeister in der GV-Sitzung am 20.10.22 freimütig, dass er niemals die Absicht zur Führung solcher Verhandlungen gehabt habe. Ihm sei von Anfang an klar gewesen, dass der Investor allenfalls zu Verhandlungen bereit sein werde, nachdem er die Baugenehmigung für sein ursprüngliches Planungskonzept in Händen habe.
In diesem letzten Akt des Dramas sind keine Heldenrollen mehr zu vergeben. Sollte das B-Plan Verfahren auf dem jetzt eingeschlagenen Weg mit der Unwirksamkeit des B-Plans und der Verwirklichung des Bauvorhabens des Investors enden, so ist unweigerlich der Bürgermeister als derjenige zu identifizieren, der den Karren in den Graben gefahren hat.
Alternativ ist späte Einsicht denkbar, verbunden mit einem Zieldurchlauf in letzter Minute.
Die zuständige Baubehörde wird unabhängig von deren Erfolgsaussicht vor ihrer Entscheidung die seitens der Gemeinde vorzubringenden Einwände gegen die Erteilung der Baugenehmigung zu prüfen haben. Das könnte ein Zeitfenster bis Mitte November für den B-Plan schaffen. Jetzt ist allerdings der Bürgermeister mit eigenen Beschlussanträgen am Zug. Die von Fraktionsseite vorbereiteten Anträge mussten in der GV-Sitzung zurückgezogen werden, weil sich der Bürgermeister entgegen seiner Beratungspflicht nicht bereitfand, zu erklären, dass die seitens des Investors zur Verunsicherung der GV-Mitglieder angedrohten Schadensersatzansprüche Unfug sind.