Es ist fast ein Dogma – Filme über die DDR haben stets Klischees abzuarbeiten. Dieser BILD-Zeitungs-Blick hat sich sukzessive als historisches „Bild“ etabliert. Umso erfreulicher, dass sich zumindest hin und wieder ein Film um Dialektik bemüht und zudem auch vorzüglich funktioniert. Dafür ist, wie man sich denken kann, zunächst ein gutes Drehbuch nötig. Es stammt von Regisseurin Natja Brunckhorst (Hauptrolle in CHRISTIANE F. – WIR KINDER VOM BAHNHOF ZOO, 1981), die sich von einer wahren Begebenheit mit einer ungewöhnlichen Dimension inspirieren ließ. Und – zweite Bank für einen guten Film – sie fand dafür das perfekte Darstellerensemble.
Es ist der Sommer 1990, wenige Tage vor der Währungsunion – irgendwo in Sachsen-Anhalt. In einer Hausgemeinschaft leben Maren (Sandra Hüller), ihr Mann Robert (Max Riemelt) ihre Kinder, der gerade aus dem Westen zurückgekehrte Familienfreund Volker (Ronald Zehrfeld), Oma Käte (Ursula Werner) und eine bunte Schaar Nachbarn und Kollegen…
Natja Brunckhorst – Regisseurin:
„Ich freue mich einfach, mir von diesen Schauspielern helfen zu lassen; ich bin halt aus West-Berlin. Und es war von vornherein klar, ich werde nur Darsteller nehmen, die auch im Osten sozialisiert sind, weil die mir einfach in den Arsch treten, wenn ich irgendeinen Scheiß mache. Und die waren alle sofort begeistert. Also ich freue mich so, mit Sandra Hüller arbeiten zu dürfen. Aber auch Ursula Werner – was für eine tolle Frau! Wenn die sich hinstellt und da mal richtig vom Leder zieht…
Und sowieso Max Riemelt und Ronald Zehrfeld sind für mich beide total attraktive Männer. Was für ein Glück, mit denen zu arbeiten. Peter Kurth, ein Geschenk – als Makowski. Aber auch so jemand wie der Martin Brambach für Lunkewitz. Das sind für mich ganz tolle Figuren; Gesichter, Menschen, denen man gerne folgt, bei denen man gerne ist. Mit denen ich gerne mitgehe.“
Was dachten Sie beim ersten Lesen des Drehbuchs?
Sandra Hüller:
„Ich fand das Drehbuch gut, weil es eine bestimmte Stimmung einfängt aus dieser Zeit, die man nicht so genau beschreiben kann. Und das Drehbuch macht das auch auf eine ganz unerklärliche Art und Weise. Ich kann es tatsächlich nicht genau sagen, was es ist. Es hat so was mit einer Leichtigkeit zu tun und gleichzeitig mit einer Melancholie, was Umbrüche so an sich haben, wenn was beginnt und gleichzeitig was endet. Das ist eben nie nur eine Sache. Das hat mir gefallen.“
Ursula Werner:
„Ach, da wäre doch eine Rolle für mich drin, habe ich gedacht…
Nein – also, wenn ich so ein Buch angeboten kriege, schau‘ ich erstmal, wessen Inhalt ist es? Und danach richtet sich, ob ich mich weiterhin interessiere… Und so gucke ich mir dann ein Buch ganz locker an, dann rede ich mit der Regisseurin oder mit dem Regisseur und dann wird ein Entschluss gefasst.
Ja, wer ist denn Käte? Käte ist die gute Seele des Hauses, ohne sentimental zu sein. Also sie ist ja eine recht bodenständige Rentnerin, die da ganz offensichtlich auch das Vertrauen dieser Hausgemeinschaft genießt.“
Max Riemelt:
„Beim Lesen des Drehbuchs hat mich besonders gereizt, mit Natja zusammenzuarbeiten – in allererster Linie. Weil ich glaube, dass sie wirklich genau weiß, was sie machen möchte. Allerdings hatte ich noch keine Ahnung, dass sie daraus eine Komödie machen will. Das stand nicht vorne auf dem Drehbuch, sondern ich habe mir das eigentlich relativ ernst gedacht und konnte mir nicht vorstellen, wie man daraus so einen sommerlich warmen und lustig-leichten Film macht, wie er jetzt geworden ist.“
Und was ist diese „unerhörte, straff komponierte Begebenheit“, wie es schon Goethe als Bedingung für die Novelle definierte, und die für den Film mit seinem begrenzten Zeitlimit unbedingt ebenfalls gilt?
Es geht ums Geld – aber nicht um irgendwelches, sondern um die gerade annullierte „Ostmark“. Irgendwo im Anhaltinischen bemerken ein paar Leute unausgesetzten LKW-Verkehr in Richtung ausgedienter Gebirgsstollen und fragen sich nach dem Anlass. Und sie entdecken, dass in den Stollen die DDR-Millionen aus den Banken deponiert werden, die nur noch wenige Tage umtauschbar sind. Also haben die Protagonisten eine nicht ganz unoriginelle bzw. nicht ganz unkriminelle Eingebung…
Natja Brunckhorst – Regisseurin:
„Man wusste nicht, wohin mit dem ganzen Papiergeld. Die Tresore mussten schnell geräumt werden. Dann haben sie versucht zu schreddern – hat nicht funktioniert. Dann haben sie gesagt: Gut, schaffen wir es in einen Stollen. Das war das Komplexlager 12 bei Halberstadt. Da gibt es einen Stollen, 300 Meter lang, 8 Meter hoch – ich war da, hab’s mir angeschaut – mit Geld vollgelagert. Einfach das gesamte Papiergeld rein. Gibt‘s tolle Fotos von den Leuten, die so Säcke hin und her, so Millionen quasi, immer weitergeben. Dieses Geld wurde reingebracht und eine Mauer vorgesetzt. Da kamen dann ein paar schlaue Leute auf die Idee, in diese Mauer ein Loch zu machen und ein wenig Geld rauszuholen. Die haben tatsächlich rucksackweise Geld wieder rausgeholt. Wir wissen nicht, wie viel – keiner weiß, wie viel…
Ich habe ein Buch gelesen von Peter Ensikat (toller Kabarettist übrigens). Er schrieb hervorragende Bücher, und in einem stand dieser Satz: Das Geld der DDR wurde in einen Stollen eingelagert.
Und ich als Filmemacherin: Das ist Kino! Wenn wir so eine tolle Geschichte haben. Das war ja 1990 so eine aufregende Zeit, weil die Gesetze sich geändert haben. Das war ein Jahr der möglichen Anarchie, sag ich mal, wo vieles passieren konnte. Für einen Erzähler ist das eine wirklich wunderbare Zeit.“
Reden wir mal über das Abenteuer – so viel Geld, zudem mit beschleunigtem Verfallsdatum. Da kann einem schon ganz schön schwindelig werden.
Sandra Hüller:
„Das war schon besonders, diese Geldmengen zu sehen. Auch wenn wir natürlich wussten, die sind nicht echt. Die wurden zwar für uns angefertigt, aber…
Also, die hatten keinen Wert mehr. Und dann fängt man natürlich automatisch an, über den grundsätzlichen Wert von Geld nachzudenken. Denn wir haben ja auch nur Papier in der Hand und denken, das ist irgendwas Besonderes. Dabei ist es ja nur eine Verabredung, die getroffen wurde, irgendwann mal.“
Kurz und gut, die Leute verschaffen sich Zugang zu den Stollen und entwenden die morbiden Scheine, um sie schnellstmöglich noch irgendwie umzusetzen. Was, wie man sich wiederum denken kann, nicht ohne weitere Probleme, Ideen und emotionale Herausforderungen vor sich gehen kann. Vor allem aber mit fruchtbaren Offerten für Komik.
Max Riemelt:
„Ja, also das muss echt interessant gewesen sein. Ich glaube sowieso, dass diese Zeit, diese Umbruchphase, in der alles möglich schien, in der es viele Freiräume gab, wo noch nicht alles vorgegeben war, aufregend war. Es gab noch keinen Plan, was mit bestimmten Objekten, mit Fabriken, überhaupt mit der ganzen Wirtschaft geschieht. Und ich glaube, dieses Gefühl muss ein schönes gewesen sein. Also dass man noch träumen durfte…
Andererseits natürlich waren die Perspektiven, wenn man z.B. seinen Job verloren hat, natürlich erstmal wieder beschränkt, beziehungsweise war alles offen. Das kann natürlich auch Angst machen.“
Ursula Werner:
„Die im Osten wohnten, häuften sich keine Reichtümer an. Man kam hin, man kam aus, man hatte zu wohnen, zu essen, die Kinder anzuziehen, sich zu bilden, das war alles okay. Und dann diese Chancen, sich ein bisschen Geld rauszuholen und dann noch zusätzlich umzutauschen, obwohl man nicht wusste, was kauft man denn jetzt damit?
Das Schöne war, dass das all das mit so einer Heiterkeit behandelt wurde.
Der Film ist sehr amüsant – speziell für Ossis! Die entnehmen der Sache vielleicht noch einen ganz anderen Humor. Aber gerade für die nachfolgende Generation, für meine Kinder oder meine Enkel ist das natürlich schon ein sehr besonderes Geschichts-Erlebnis.“
Ronald Zehrfeld:
„Natja hat einen ganz cleveren Kniff gemacht, aber das werdet ihr in dem Film sehen. Diese Mischung aus Realität, aus wahren Fakten und der Fiktion. Man möchte Teil von dieser Hausgemeinschaft sein oder werden, die plötzlich sich der Situation gegenübersieht: Okay, wir haben jetzt hier mehrere Millionen Ostmark, und wir haben nur drei Tage Zeit… Wir kaufen unser altes Kombinat, unsere alte Fabrik. Und da fange ich schon wieder an, komme ins Schwärmen. Darf ich überhaupt so viel jetzt schon verraten? Ich bin befangen von dem Film, weil ich den Film sehr liebe und hinter diesem Film stehe. Und man kann den Film nur kaputt machen, indem man zu viel darüber redet. Geht rein, geht einfach rein in diesen Film!“
Und das sollten Sie unbedingt. Ab 25. Juli läuft ZWEI ZU EINS in den Kinos.