Städte grüner zu machen, naturnahe Flächen im Stadtgebiet zu erhalten und neue zu schaffen und in diesen Prozess auch die Bürgerinnen und Bürger einzubeziehen – das sind die Ziele des Labels „StadtGrün naturnah“. Bernau bewirbt sich derzeit um dieses Zertifikat.
„Unsere öffentlichen Grünflächen nach ökologischen Standards zu bewirtschaften und ihre biologische Vielfalt zu erhöhen, steht bei uns schon seit längerem auf der Agenda“, erklärt Dunja Marx, Leiterin des Infrastrukturamts der Stadt. Diese Bemühungen auch mit einem Label zu krönen und dabei von den Erfahrungen anderer zu partizipieren, hat sich Bernau zum Ziel gesetzt. In Zusammenarbeit mit dem NABU Barnim steuert das Infrastrukturamt den Zertifizierungsprozess. Eine lokale Arbeitsgruppe aus regionalen Akteuren begleitet das Vorhaben und soll Ideen für ökologische Projekte einbringen. Kürzlich befassten sich die für das Grün in der Stadt engagierten Bernauerinnen und Bernauer bei einem Arbeitstreffen mit den Kriterien für die Zertifizierung und entwickelten erste Pläne für das weitere Vorgehen.
Frische Luft, Erholung, Naturerfahrung
Mit ca. 35 Hektar öffentlichem Grün (das sind 49 Fußfallfelder), 1.640 Hektar Wald (das entspricht fast 2.300 Fußballfeldern) und rund 12.000 Straßen- und Parkbäumen besitzt die Stadt einen ordentlichen „Fundus“ an Grün, der unterhalten und im Sinne der biologischen Vielfalt erhalten, umgebaut und erweitert werden soll. „Dabei müssen wir die unterschiedlichen Anforderungen, wie ein ansprechendes Stadtbild zu schaffen, die Artenvielfalt zu schützen, die veränderten Klimabedingungen zu berücksichtigen sowie soziale und kulturelle Belange, all diese Punkte miteinander in Einklang bringen“, ist sich Dunja Marx über die Herausforderung im Klaren.
Die städtischen Grünflächen mit ihren Wiesen, Grünanlagen, Sträuchern und Bäumen wie im Stadtpark samt Wallanlagen, im Külz-, Goethe-, Krimhild- und im 19 Hektar großen Panke-Park sorgen für frische Luft, bieten Jung und Alt die Möglichkeit, Natur zu erfahren und sich zu erholen. Die Parks und Plätze in der Stadt unterliegen aber auch einem hohen Nutzungsdruck beispielsweise für Veranstaltungen wie das Hussitenfest oder den Kunst- und Handwerkermarkt und als Freiraum für die Freizeitgestaltung. All dies ist beim naturnahen Gestalten und Pflegen der öffentlichen Grünanlagen zu berücksichtigen.
Schon viel vorzuweisen
Bei der Bestandserfassung wird klar, dass es bereits viele gute Ansätze gibt, die im Zertifizierungsverfahren in die Waagschale geworfen werden können. So können die Bürger als Baumpaten einen Baum „adoptieren“ und pflegen, für jedes Neugeborene wird in Bernau ein „Baby-Baum“ gepflanzt, Gründächer auf Wohn- und Verwaltungsgebäuden der WoBau verbessern das Stadtklima, um nur einige Dinge zu nennen.
Auch beim Entsiegeln, Umgestalten und Begrünen von Plätzen kommt die Stadt gut voran. So wurde der Platz am Steintor ansprechend neugestaltet. In einem ersten Schritt wurden zum Begrünen des Platzes am Steintor 130 Quadratmeter Pflaster aufgenommen, neue, klimarobuste Bäume gepflanzt und Beete angelegt. Geplant ist, 70 Prozent zu begrünen, um den Platz „abzukühlen“ und für Mensch und Tier aufzuwerten. Auch hier muss der hohe Nutzungsdruck berücksichtigt werden, weshalb zunächst nur eine Teilflächenentsiegelung erfolgte.
2023 wird mit dem Umgestalten des Bahnhofsvorplatzes begonnen: Entsiegeln, begrünen, Bäume pflanzen, schattige Sitzmöglichkeiten schaffen, einen Trinkwasser-Brunnen und eine Wasserspielfläche mit Fontänen installieren, stehen auf dem Programm.
Rückzugsort für Tiere und Pflanzen „Für Tiere und Pflanzen sind die urbanen Grünflächen ein wichtiger Lebensraum und teilweise die einzige Rückzugsmöglichkeit im Gegensatz zur ausgeräumten Landschaft“, sagte Jonathan Etzold vom NABU Barnim. Er erklärte, dass bereits kleine, kostengünstige Maßnahmen, wie das Verwenden heimischer Pflanzenarten, das Reduzieren der Mahdhäufigkeit, das Verzichten auf Laubstaubsauger, positive Effekte auf den Erhalt der biologischen Vielfalt haben können.
Auch hier hat Bernau die ersten Schritte in die richtige Richtung unternommen und nutzt kleine Flächen, um Blühstreifen anzulegen. Durch das Verschwinden der artenreichen Wildblumenwiesen in den letzten Jahrzehnten haben die Straßenränder an Bedeutung für den Natur- und Artenschutz gewonnen. Sie müssen in Blühstreifen umgewandelt werden, um seltenen Tier- und Pflanzenarten einen Rückzugsraum zu gewähren. Um übereifriges Mähen zu verhindern, verteilt die Stadt Bernau seit 2021 sogenannte Blühschilder.
Auch einige Bernauer Kitas und Horte sind sehr aktiv. Die Kinder bauen bspw. gemeinsam mit dem NABU Insektenhotels und bringen Wildbienenmischungen in ihren Kita-Gärten aus.
Eckhard Raabe vom Bezirksverband von Bernau und Umgebung der Gartenfreunde e.V. berichtete der Arbeitsgruppe, dass auch bei den Kleingärtnern wieder ein Besinnen auf das ursprünglich Gärtnerische, auf naturnahes Gestalten stattfindet. In Bernau gibt es ca. 1.000 Kleingärten, die eine Fläche von etwa 400.000 Quadratmetern ausmachen. „Wir bieten für unsere Sparten Schulungen an, in denen es nicht nur um gärtnerisches Know-How geht“, berichtete der Gartenfreund. „Wir versuchen unsere Gärtner zu überzeugen, auf Torfprodukte, Pestizide und Laubstaubsauger im Garten zu verzichten. In einen Garten gehört keine Chemie und er muss auch nicht klinisch rein sein, denn dann bietet er Igeln und Insekten keinen Unterschlupf mehr.“ Gern möchte der Bezirksverband der Gartenfreunde wieder mehr Bienenvölker in die Gartenanlagen bringen.
Umweltbildung, Naturerfahrung, Partizipation
Devin Martini als Vertreterin der Bürgerschaft regte an, die Umweltbildung der Bernauer durch Workshops, Kräuteranderungen und Ähnliches zu verbessern. „Wir müssen die Umweltbildungsangebote zu den Menschen bringen und möglichst alle Altersgruppen und Bevölkerungsschichten ansprechen, damit ein Umdenken im Umgang mit der Natur einsetzt“, meint die engagierte Bernauerin.
Aus der Diskussion kristallisierte sich die Idee heraus, das „grüne Band durch Bernau“ als eine Vernetzung von Grünflächen für die Zertifizierung in den Fokus zu nehmen und perspektivisch vom „grünen Band“ zum „grünen Netz“ bis hinein in die Bernauer Ortsteile zu kommen. Das Konzept eines grünen Bands in der Achse vom Panke-Park zum Stadtpark ist Teil des Projekts „Bernau bewusst grün“, das vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung gefördert wird.
Ausblick
In der nächsten Arbeitsrunde im Februar wird die lokale Arbeitsgruppe die ersten Schritte zum Vernetzen von Grünstrukturen erarbeiten. Außerdem ist geplant, den Bernauern Angebote zu unterbreiten, beispielsweise zum naturnahen Gestalten von Vor- und Hausgärten mit heimischen Pflanzen, um den Wasserrückhalt am Ort zu verbessern. Das kostbare Nass soll den Pflanzen zur Verfügung stehen und nicht der Abflussrinne. Damit werden die kleinklimatischen Funktionen gestärkt sowie die Biodiversität und Artenvielfalt erhöht. Letztlich tragen auch viele kleine Einzelmaßnahmen dazu bei, die Wohlfühlfunktion, die Identifikation, die Verbundenheit mit Bernau als Heimatort „aufzufrischen“.
Fazit
„Der Zertifizierungsprozess ermöglicht uns, die Stärken und Schwächen unseres öffentlichen Grüns aufzuspüren, Maßnahmen daraus abzuleiten sowie die Akteure innerhalb und außerhalb der Stadtverwaltung noch enger miteinander zu vernetzen. Ziel all dieser Schritte ist es, eine strategisch nachhaltige, klimaverträgliche Grünflächenunterhaltung auf den Weg zu bringen und die natürliche Lebensqualität in der Stadt weiter zu verbessern“, fasst Dunja Marx Sinn und Zweck der Anstrengungen zusammen.