Bernau ist die größte Stadt im Landkreis Barnim und liegt wie ein Bindeglied als mittlere Stadt im Land Brandenburg in direkter Nachbarschaft zur Hauptstadt Berlin. Bernau liegt nordöstlich von Berlin und ist nur 25 Kilometer vom Zentrum der Bundeshauptstadt entfernt. Sie ist bei Berufspendlern durch den 20-Minuten-Takt der S-Bahn sehr beliebt. Damals wie heute stellt die S-Bahn ein wichtiges Bindeglied dar. Am 8. August 1924 fuhr die erste elektrische Vorortbahn vom heutigen Nordbahnhof nach Bernau. Das war die Geburtsstunde der Berliner S-Bahn, wie wir sie heute kennen. Dieses Ereignis war nicht nur industriegeschichtlich von Bedeutung, sondern wirkte sich auch enorm auf die Entwicklung der Stadt Bernau aus“, erzählt Museumsleiterin Franziska Radom.
Bei einem Blick zurück in die Geschichte der Stadt war Bernau auch in der Vergangenheit schnell keine Kleinstadt mehr. Bernau war im Mittelalter mit etwa 4.000 Einwohnern eine große Stadt, wahrscheinlich sogar die bevölkerungsreichste des Barnim. Bier und Tuche hatten Bernau reich gemacht. Mit dem Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) verödete die Stadt und hatte nun noch etwa 500 bis 600 Einwohnerinnen und Einwohner. „Danach ging es sehr langsam bergauf. Zögerlich wuchs die Stadt mit der Ansiedlung hugenottischer Familien um 1699 und der Garnison, die seit 1714 hier stationiert war“, erläutert die Museumsleiterin. Um 1800 lebten 2.517 Menschen in Bernau, davon gehörten aber über 700 dem Militär an, waren also Mitglieder der Garnison oder Angehörige.
Ein deutlicher Anstieg kam mit der Industrialisierung. 1842 kam die Eisenbahn nach Bernau und die Stadt entwickelte sich zur Siedlungsstadt für Pendler, was einen starken Zuzug zur Folge hatte. 1842 lebten 3.355 Menschen in Bernau, 1885 waren es bereits 7.274. „Das ist eine Verdopplung in nur etwas mehr als 40 Jahren“, macht Franziska Radom deutlich. Das waren die sogenannten Gründerjahre, große Flächen außerhalb der Stadtmauer wurden in dieser Zeit besiedelt, was heute noch an Bezeichnungen wie dem Gründerzeitring zu erkennen ist. „Große Wirtschaftsbetriebe siedelten sich nicht an, Bernau blieb im Kern eine Ackerbürgerstadt und wurde keine Industriestadt. Das war wahrscheinlich auch so gewollt, denn der Magistrat entschied sich zum Beispiel 1906 gegen die Ansiedlung einer Maschinenfabrik“, weiß die Museumsleiterin zu erzählen.
Im Jahr 1891 wurde der Vorortverkehr eingerichtet, eine Art Vorläufer der S-Bahn, nur eben mit Dampf und kürzerem Takt. „Dann 1924 ging die S-Bahn, bis 1930 noch die Vorortbahn, zwischen dem heutigen Nordbahnhof und Bernau in Betrieb. Die Einwohnerzahl stieg durch diese technische Entwicklung weiter an und Bernau entwickelte sich zu einer Wohngemeinde und einem beliebten Ausflugsziel“, so Franziska Radom. Im Jahr 1925 lebten schon 9.962 Menschen in der Stadt, 1933 waren es 12.072. 1941 zählte Bernau 14.000 Einwohnerinnen und Einwohner, nach dem Krieg 1946 waren es 13.001. In Zeiten der DDR und bis nach der politischen Wende wuchs die Einwohnerzahl stetig, aber in Maßen an. 1996 lebten um die 20.000 Menschen in Bernau.
Heute leben in Bernau mehr als 45.000 Menschen, damit ist die Hussitenstadt die siebtgrößte Stadt im Bundesland Brandenburg. Die Einwohnerzahl hat sich seit den 1990er-Jahren mehr als verdoppelt. Die Stadt wächst, vor allem durch den Zuzug aus der Hauptstadt. Dieser Umstand bringt für eine mittelgroße Stadt Vor- und Nachteile zugleich.
Zum einen profitiert Bernau von den zuziehenden Fachkräften und von seiner vorteilhaften geografischen Lage, zum anderen stellen die Verknappung des Wohnungsangebots und die durch die Verwaltung zu schaffende Sozial- und Bildungsinfrastruktur immer wieder große Herausforderungen dar. „Unsere Stadt hat infolge des Zuzugs ihr Gesicht stark verändert. Unter den Neubernauern sind immer zahlreiche Familien mit Kindern jeden Alters. Und mit ihnen sind auch viele soziale Infrastrukturprojekte entstanden. Wir haben zum Beispiel neue Kitas und Grundschulen gebaut, aber auch Jugendfreizeiteinrichtungen und Turnhallen oder die Bibliothek zu einem großen Treffpunkt umgebaut“, beschreibt Bürgermeister André Stahl.
So gibt es in der Stadt 31 Kindertagesstätten und Horte, wobei 15 Einrichtungen in Trägerschaft der Stadt sind. In all diesen Einrichtungen werden fast 4.000 Kinder im Alter von null bis sechs Jahren betreut. Weitere 6.200 Kinder besuchen eine von sieben Grundschulen und sechs weiterführenden Schulen. Drei Schulen gibt es zudem mit einem sonderpädagogischen Schwerpunkt. „Neben diesen klassischen Bildungseinrichtungen gehört zur Stadt eine große Anzahl an sozialer Infrastruktur, die die Stadt lebenswert macht“, so der Bürgermeister. Dazu gehören eine Bibliothek mit drei Nebenstandorten, sieben Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen, sieben Turnhallen, drei Bäder und mehr als 70 Spielplätze. Immer im Blick haben die Verantwortlichen hier, dass Angebote für alle geschaffen werden. Beim Neubau von Spielplätzen oder bei Reparaturarbeiten schaut immer auch die Arbeitsgemeinschaft Inklusion auf die Planungen und gibt Empfehlungen. „Uns ist es wichtig, dass niemand ausgegrenzt wird und dass die Freizeit- und Erholungsbereiche genauso wie die Bildungs- und verkehrliche Infrastruktur für jedermann nutzbar ist“, so Bürgermeister André Stahl.
Neben der klassischen Infrastruktur hat die Stadt auch die Erweiterung der weichen Standortfaktoren im Blick. Dazu gehören beispielsweise kulturelle Angebote wie das dreitägige Hussitenfest, das Dinner-Picknick im September, Musik im Korb am Samstagvormittag, die beliebten Kunstund Handwerkermärkte, Puppentheater und vieles mehr. Zu den weichen Faktoren, die eine Stadt ausmachen, gehören auch besondere Angebote wie ein kostenfreies Milchund Obstangebot für die Kleinsten in Kitas und Grundschulen oder das sogenannte Kitaschwimmen. „Seit 2006 gibt es für Kitakinder die Möglichkeit, in den Sommerferien mit Unterstützung des DRK Kreisverbands Niederbarnim schwimmen zu lernen. Die Stadt bezuschusst dieses Angebot, damit die Eltern nur einen geringen Eigenanteil
leisten müssen. Das machen wir, weil es uns wichtig ist, dass die Kinder schon so früh wie möglich die Fertigkeit erlernen“, so Bürgermeister André Stahl. Für jedes Neugeborene gibt es weiterhin ein Begrüßungsgeld und die Möglichkeit, einen Babybaum im Stadtgebiet zu pflanzen. Die Förderungen für Kinder und Jugendliche sind in der Stadt vielfältig. So müssen Vereine keine Hallengebühren für Angebote in diesen Altersbereichen zahlen. Es gibt zahlreiche Treffs und Spiel- und Sportflächen, die regelmäßig auf ihre Sicherheit überprüft werden.
Die Stadt hat aber nicht nur die Kleinsten im Blick. Auch für Seniorinnen und Senioren gibt es unterschiedliche Angebote. Dazu gehören ein Seniorensporttag im September, ein monatliches Tanzangebot und verschiedenste Freizeitund Fortbildungsmöglichkeiten in den Vereinen. „Bernau hat eine unwahrscheinlich vielfältige Vereinslandschaft, die für jeden, egal welchen Alters, Angebote bereithält“, so der Bürgermeister.
Ein weiterer Punkt, der Bernau lebenswert macht, ist seine Natur. Bernau besitzt einen großen Stadtwald, zahlreiche Parks und Grünanlagen. Nicht zu vergessen die Wallanlagen, die zum historischen Stadtkern gehören und die mittelalterliche Stadtmauer in großen Teilen umfassen. Besonderes Augenmerk legen die Stadtverantwortlichen auf die Entwicklung einer klimarobusten Stadt. Nach und nach werden Plätze entsiegelt und Systeme beim Bau von Infrastruktur geschaffen, um Regenwasser so lange wie möglich in der Stadt zu halten und das Prinzip Schwammstadt zu entwickeln. „Bernau ist städtebaulich eine Stadt vieler Gegensätze. Hier treffen Geschichte und Moderne aufeinander. Neben der mittelalterlichen Seite hat Bernau auch viele Bereiche, die DDR-Architektur mit Flächen und Plätzen aufweisen. Die sind in Zeiten des Klimawandels nicht unbedingt mehr die richtige Antwort auf Starkregenereignisse oder lange Trocken- und Sonnenzeiten“, so Jürgen Brinckmann. Der Leiter des Infrastrukturamts lebt schon immer in Bernau und hat seine Entwicklung nicht nur verfolgen, sondern auch mitprägen können. Für ihn hat sich vor allem die Innenstadt positiv entwickelt. „Die Gebäude und Wohnhäuser sind alle modernisiert, es gibt kaum Brachen oder Schandflecke. Die Innenstadt wird zunehmend grüner und lädt zum Verweilen ein. In der Überschaubarkeit liegt das Besondere an Bernau – es ist dicht dran an Berlin, um die großstädtischen Angebote erleben zu können. Bernau ist aber auch brandenburgisch genug, um mit Grün, Wald und Wiesen und Ruhe zu punkten.“
Auch Museumsleiterin Franziska Radom kann nur ein positives Fazit ziehen, auch wenn Bernau nur ihr Arbeits- und nicht ihr Wohnort ist: „Bernau ist so charmant, weil es seinen mittelalterlichen Kern und das Gefühl einer Ackerbürgerstadt bis heute erhalten konnte. Es ist eine große, eine wachsende Stadt, die bevölkerungsreichste des Barnim sogar. Und trotzdem fühlt sie sich sehr ländlich und gemütlich an.“