Gekürte Buchpreisgewinner sind eine ganz eigene Sache. Meist erschließen sich mir die Kriterien der Auswahl nicht wirklich. Sehr oft denke ich: „Was wollte die Jury mir damit sagen?“ Was der Dichter damit sagen wollte, habe ich gelernt, ist vollkommen egal. Er schreibt ja nur für sich selbst.
Beim Buchpreis der unabhängigen Buchhandlungen ist das anders. Wir Buchhändler lesen das ganze Jahr über verschiedenste Bücher und gegen Ende des Jahres kann jeder sagen, welches Buch ihn am meisten bewegt hat. Und die Übereinstimmungen ergeben in der Regel Werke, die nicht von großen Verlagen gepuscht wurden. Durch Kunden wurde ich auf das Gewinnerbuch der spanischen Buchhändler 2021 aufmerksam gemacht. Was für eine großartige Entdeckung.
`Nat kommt nach La Escapa, ein Dorf im spanischen Nirgendwo, und mietet sich dort ein Haus. Was sie an diesen Ort verschlägt, bleibt unklar. Eine alleinlebende junge Frau ist hier selten, und schon bald wird Nat von den Dorfbewohnern neugierig umkreist: einem Althippie, dem Mädchen aus dem Laden, einem alten Ehepaar und einem Mann, der nur »der Deutsche« genannt wird. Der Vermieter ist aufdringlich, kümmert sich aber kaum um den Zustand des Hauses: Es regnet durchs Dach, überall ist Ungeziefer. Nat ist mit dem Landleben überfordert, fühlt sich beobachtet und doch allein – bis eines Tages »der Deutsche« vor ihrer Tür steht. Er bietet ihr an, das Dach zu reparieren, verlangt aber eine unerwartete Gegenleistung: Sex. Für Nat ist es der Auftakt einer erotischen Obsession mit dem rätselhaften unbehausten Mann. Im Dorf hingegen gerät sie zusehends in die Rolle der gefährdeten Außenseiterin.` Doch nichts ist, wie es scheint. Das Ende ist unerwartet und verändert den gesamten Eindruck aller Protagonisten.
Das Buch liest sich rasant weg aber durch den Wechsel der Erzählperspektiven hinterlässt es auch ununterbrochen Fragezeichen. Eine gelungene Inszenierung.