Eberswalde: Fünfmal in der Woche, von Montag bis Freitag, kommt Elvis. Er singt nicht, sondern könnte höchstens bellen, denn Elvis ist ein Hund. Aber auch Bellen zeichnet ihn nicht besonders aus, sondern vielmehr seine Fähigkeit, positiv mit Menschen zu interagieren und ihnen durch seine ganz spezielle Wesensart Hilfe zu bieten. Im Rahmen der Tiergestützten Therapie (TGT) im GLG Martin Gropius Krankenhaus in Eberswalde erfüllt er regelmäßig seine Aufgaben.
Man spürt, dass der mittelgroße fuchsrote Labrador Retriever den Kontakt zu Menschen genießt und sich gern dafür anbietet. Auf Angst, Nervosität, Anspannung und Traurigkeit reagiert er feinfühlig und mit Zuwendung. Er verlässt aber auch Situationen, wenn er genug hat oder eine gereizte Stimmung wahrnimmt. „Er ist ein äußerst menschenfreundlicher und Nähe akzeptierender Hund“, beschreibt Fanny Richter ihren vierbeinigen Kollegen. Die Psychologin und Therapeutin für Tiergestützte Therapie führt Elvis bei den Einsätzen. Seit seiner 17. Lebenswoche ist er ihr täglicher Begleiter, sie hat ihn vor knapp drei Jahren eigens für ihre Arbeit in der Klinik als Welpe gekauft.
Die Ausbildung zum Therapiebegleithund wurde vom Land Brandenburg bezahlt. „Ich arbeite ausschließlich tiergestützt, weshalb mich Elvis täglich begleitet – als wichtiger Unterstützer im therapeutischen Setting. Für die Patienten hat der Tierkontakt eine wohltuende und entspannende Wirkung. Er fördert die soziale Interaktion, reduziert bei den Patienten Angst und Stresserleben, erzeugt Ruhe, Vertrauen, eine positive Stimmung und steigert die Empathiefähigkeit. Gerade auch im Kontakt mit bindungsgestörten Patienten wirkt der Hund als äußerst hilfreich, da die Betroffenen häufig Bindungsverletzungen durch Mitmenschen erfahren haben, im Gegensatz dazu aber positive Erfahrungen mit Tieren sammeln konnten, sodass der Kontakt zum Hund die Patienten öffnet und der Therapie zugänglicher macht.“
Seit 2021 kommt die tiergestützte Therapie in der Forensischen Klinik des Martin Gropius Krankenhauses als therapeutische Methode zum Tragen. Sie findet im Einzel- und Gruppensetting statt, wird aber auch in Akutsituationen eingesetzt. Dabei konnte vielfach festgestellt werden, dass sich die Anwesenheit des Hundes entspannend bis deeskalierend in verschiedensten Situationen im Stationsalltag auswirkt. So dient der selbstsichere, charakterlich in sich ruhende Hund zum Beispiel auch als ein gutes Modell für gesundes Abgrenzungsverhalten.
Auf der Aufnahme- und Krisenstation nimmt Elvis an den wöchentlichen Visiten teil, arbeitet im Stationsalltag stressabbauend, motivierend und aufmunternd. Gerade in den ersten Wochen verspüren die Patienten oft Ängste und Ungewissheit, Unruhe und Überforderung, die der Hund durch seine Anwesenheit und mittels Körperkontakt mindern kann. Im Suchtbereich unterstützt der Hund Patienten unter anderem dabei, ihr Selbst- und Fremdbild wahrzunehmen, abzugleichen und entsprechend zu optimieren. Im Kontakt mit an Demenz erkrankten Patienten vermittelt der Therapiehund Halt und Sicherheit, er ruft bei den Patienten Erinnerungen wach, fördert die Selbstständigkeit und bringt eine angenehme Abwechslung in den Alltag der Station.
Nach inzwischen fast drei Jahren kann Fanny Richter ein durchweg positives Resümee der Tiergestützten Therapie im Maßregelvollzug ziehen. „Das Wagnis, einen Hund therapeutisch im Maßregelvollzug einzusetzen, hat sich in jedem Fall gelohnt, weshalb das Verfahren stetig weiter ausgebaut wird“, sagt die Hundeführerin.
Aktivierende tiergestützte Interventionen sind fest im Wochenplan verschiedener Patienten verankert. Elvis ist auch immer wieder in Gesprächssituationen dabei, hilft durch seine Anwesenheit Patienten, über unangenehme Dinge zu sprechen und somit in der Behandlung voranzuschreiten, was eine Reduktion der Gefährlichkeit mit sich bringt. Auch die Tatsache, dass einige in der Therapie fortgeschrittene Patienten mit Elvis in den Ausgang gehen dürfen, hat einen motivierenden Effekt auf neue Patienten. Für Patienten, die langjährig im Maßregelvollzug untergebracht sind, wirkt sich der Hund stabilisierend und Mut machend aus. Für sie ist die Tiergestützte Therapie ein wesentlicher Bestandteil der Behandlung und ein fester Bezugspunkt im Alltag.
„Bei alledem darf man nicht vergessen, dass ein Hund ein Lebewesen ist und kein Arbeitsmittel, das man nach Dienstschluss ablegen kann“, erklärt Fanny Richter „Angefangen von der umfangreichen Ausbildung benötigt der Hund seine vertraute ihn führende Bezugsperson, die immer für ihn vor Ort sein muss, ihm Sicherheit bietet und auch die tierschutzrelevanten Aspekte im Blick behält. Das umfasst aber auch alle Spaziergänge und Trainingseinheiten vor und nach der Arbeitszeit, die Betreuung an den Wochenenden, im Urlaub und bei Krankheit.
Immer wieder wird die Psychologin gefragt, was mit Elvis passiert, wenn sie zum Feierabend nach Hause geht. „Selbstverständlich lebt Elvis bei mir“, sagt Fanny Richter. „Das bringt Pflichten und viele spezielle Anforderungen mit sich, die ich aber gern bereit bin zu tragen, da ich meinen Job liebe und von der Sinnhaftigkeit der Therapieform hundertprozentig überzeugt bin. Ich freue mich, dass ich durch unseren Chefarzt, Herrn Loos, 2021 die Möglichkeit bekommen habe, die TGT bei uns einzuführen und auszubauen. Deutschlandweit gibt es nur wenige Maßregelvollzüge, die das anbieten.“
Elvis ist nicht nur bei den Patienten sehr beliebt, sondern auch bei den allermeisten Mitarbeitern, die zum Teil Leckerlis in den Schreibtischschubladen bereithalten, von denen der Hund mittlerweile weiß und die er sich sehr gern abholt. „Meine Aufgabe ist es hier, den Überblick über die Futtermenge zu behalten, um die körperliche Fitness des Hundes nicht zu gefährden“, sagt Fanny Richter schmunzelnd. „Andererseits hat er sich die Belohnungen ja wirklich verdient.“