Brandenburg und Berlin wollen sich gemeinsam für einen besseren Schutz von Stadttauben einsetzen. Die Vögel prägen in vielen Städten das Stadtbild, führen jedoch nicht selten zu Konflikten. Über die Frage, wie ein erfolgreiches Stadttaubenmanagement in der Praxis funktionieren kann, wurde auf der heutigen Veranstaltung „Tauben in der Stadt – tierschutzgerechte Managementlösungen aus der Praxis“ diskutiert, zu der die Tierschutzbeauftragten von Brandenburg und Berlin, Dr. Anne Zinke und Dr. Kathrin Herrmann, eingeladen hatten. Die Fortbildungsveranstaltung richtete sich vor allem an die amtlichen Tierärztinnen und Tierärzte aus beiden Ländern. Sie findet im Historischen Rathaus Bernau bei Berlin (Landkreis Barnim) statt. Die Stadt Bernau hat ein funktionierendes Taubenmanagement etabliert und damit die dortige Konfliktsituation mit den Stadttauben wirksam entspannt.
Dr. Anne Zinke, Landestierschutzbeauftragte Brandenburg: „Das Leben von Stadttauben geht einher mit einem schlechten Gesundheitszustand und einer geringen Lebenserwartung. Sie erkranken oft aufgrund von Mangel- und Fehlernährung, leiden unter Parasitenbefall und sind erhöhten Todes- sowie Verletzungsrisiken ausgesetzt. Zudem werden sie leicht Opfer von tierschutzwidrigen Vergrämungsmaßnahmen oder Tierquälerei. Um den Stadttauben wirksam und tierschutzgerecht zu helfen und die Population auf eine akzeptable Größe zu reduzieren, sind nur eine artgerechte Haltung und Fütterung im Rahmen von betreuten Taubenschlägen sowie weitere flankierende Maßnahmen sinnvoll. Die Stadt Bernau zeigt, wie es funktioniert und ist ein Vorzeigeprojekt. Derartige Projekte braucht es auch in anderen Städten und an Hotspots, wie dem Flughafen. Ich hoffe, dass wir mit dieser Veranstaltung einen Stein ins Rollen bringen und vermitteln können, dass betreute Taubenhäuser absolut sinnvoll und notwendig.“
Dr. Kathrin Herrmann, Landestierschutzbeauftragte Berlin: „Stadttauben sind ein sichtbarer Teil unseres urbanen Lebensraums und verdienen einen respektvollen, tierschutzgerechten Umgang. Der Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf errichtet nun mit finanzieller Unterstützung des Senats seinen ersten betreuten Taubenschlag im Kurt-Julius-Goldstein-Park – ein bedeutender Schritt in die richtige Richtung. Das Projekt in Bernau zeigt eindrucksvoll, dass ein verantwortungsvolles Management zur Verbesserung sowohl der Lebensbedingungen der Tauben als auch der Sauberkeit in der Stadt beiträgt. Die betreuten Taubenschläge spielen eine zentrale Rolle in der Populationskontrolle, da sie es ermöglichen, Tauben artgerecht zu versorgen und durch gezielten Eiaustausch den Bestand zu regulieren. Zudem bleibt etwa 80 Prozent des Kots im Schlag, wodurch die Straßen und Plätze deutlich sauberer werden. Solche Maßnahmen verbessern nicht nur die Gesundheit der Tiere, sondern auch die Akzeptanz der Bevölkerung. Es ist entscheidend, unsere amtlichen Kolleginnen und Kollegen für dieses Thema zu gewinnen, da ihr Engagement und ihre Expertise wesentlich dazu beitragen, dass solche Maßnahmen stadtweit erfolgreich umgesetzt und langfristig etabliert werden können.“
Fachkundige Expertinnen und Experten stellten im Rahmen der Veranstaltung bewährte Konzepte für eine tierschutzkonforme Versorgung und eine effektive Populationskontrolle von Stadttauben sowie innovative Lösungen vor. Den Teilnehmenden wurde zudem die Möglichkeit geboten, das betreute Taubenhaus in Bernau zu besichtigen und den spannenden Erfahrungen von Susanne Hegewald von der Stadttaubenhilfe Bernau zuzuhören.
Den Anstoß für das Bernauer Stadttaubenmanagement gab die Situation am Bahnhof. Dort brütete eine hohe Anzahl von Tauben, was beträchtliche Verschmutzungen des Bahnhofs und des anliegenden Fahrradparkhauses verursachte. Dies führte zu zahlreichen Beschwerden von Fahrgästen sowie Nutzern des Fahrradparkhauses. Die Stadttaubenhilfe Bernau überzeugte den Bürgermeister der Stadt davon, dass die Situation nur durch ein betreutes Taubenhaus verbessert werden könne. Der Erfolg gab ihnen recht: Schon nach kurzer Zeit hatte sich die Taubenpopulation erheblich reduziert sowie der Gesundheitszustand der Tauben und die Sauberkeit auf den Bahnsteigen und im Fahrradparkhaus sichtlich verbessert. Nicht zuletzt stieg damit auch die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger.
Die Veranstaltung zeigte, dass für Kommunen sowohl aus Tierschutzsicht als auch aus Gründen des Zustands der Städte langfristig angelegte, tierschutzkonforme Maßnahmen im Umgang mit Stadttauben unerlässlich sind. Ziel muss eine tierschutzgerechte Bestandskontrolle sein. Hierfür ist ein Gesamtkonzept, bestehend aus verschiedenen Maßnahmen, erforderlich. Derartige Konzepte sollten immer an die konkrete örtliche Situation angepasst sein. Die Veterinäre erhielten wertvolle Anregungen und Erfahrungen aus der Praxis.
Weitere Informationen:
Brandenburgs Landestierschutzbeauftragte Dr. Zinke informiert in einem neuen Beitrag auf ihrer Internetseite über ein erfolgreiches Stadttaubenmanagement: https://msgiv.brandenburg.de/msgiv/de/beauftragte/landestierschutzbeauftragte/themen/stadttauben/
Die Berliner Landestierschutzbeauftragte Dr. Herrmann hat im April 2023 ein berlinweites Stadttaubenmanagementkonzept veröffentlicht. Es sieht vor, durch Aufklärung, betreute Taubenschläge, tierschutzgerechte Vergrämung und bauliche Anpassungen eine tierschutzgerechte Populationskontrolle und saubere Stadtbilder zu fördern. Das Konzept steht hier zum Download bereit: https://www.berlin.de/lb/tierschutz/tauben/artikel.1334314.php
Hintergrund: Stadttaubenschwärme bestehen in der Regel aus Nachfahren von ehemaligen Zucht-, Brief- oder auch Hochzeitstauben. Zudem mischen sich verirrte Tauben aus privaten Taubenhaltungen darunter. Aufgrund der Domestizierung sind Stadttauben an den Menschen angepasst und verfügen genetisch bedingt über besondere Eigenschaften, wie eine erhöhte Brutaktivität – auch unabhängig von der Jahreszeit und dem Nahrungsangebot. Allerdings finden die Vögel in Städten kein artgerechtes Futter. Um zu überleben, sind sie auf Essenreste und Abfälle angewiesen. Doch die Fehl- und Mangelernährung macht sie krank. Fütterungsverbote, wie sie von einigen Kommunen umgesetzt werden, verschärfen eher das Problem. Diese können zur weiteren Verelendung der Tiere führen, da durch die Mangelernährung Durchfall und der sogenannte Hungerkot begünstigt werden, was zu einer stärkeren Verschmutzung des öffentlichen Raums führt. Dies führt insgesamt dazu, dass es „Stadttaubenprobleme“ in Kommunen gibt und diese sich zuspitzen, wenn nichts unternommen wird.