Das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz hat den ersten „Regionalen Wohlfahrtsindex“ (RWI) für Brandenburg berechnen lassen und erfüllt damit eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag. „Wirtschaftswachstum allein gibt die Wohlfahrt in einem Land nur unvollständig wieder. Der Regionale Wohlfahrtsindex bezieht auch soziale und Umweltfaktoren ein und bildet die Lebensqualität und Lebensbedingungen umfassender ab“, sagte Minister Vogel bei der öffentlichen Vorstellung des RWI für Brandenburg in Potsdam.
Die Ergebnisse der Wohlstandsmessung haben die Studienautoren vom Institut für Interdisziplinäre Forschung der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft e.V. in Heidelberg (FEST) der Öffentlichkeit präsentiert und mit weiteren ausgewiesenen Sachverständigen der Wohlfahrts- und Nachhaltigkeitsmessung diskutiert.
„Der regionale Wohlfahrtsindex ist ein guter Kompass für die Landespolitik“,
so Axel Vogel.
„Er berücksichtigt neben den hergestellten Gütern und Dienstleistungen auch deren Folgen für die Umwelt und die sozialen Kosten. Wohlfahrt und Nachhaltigkeit steigen – aber der Index zeigt auch, dass die Entwicklung nicht immer so rosig verlaufen ist, wie es die Steigerung des Bruttoinlandsprodukts vermuten lassen könnte.“
In den für Brandenburg berechneten Index fließen 21 Komponenten ein, die Lebensqualität steigern oder mindern. Wohlfahrtssteigernd, also ausschlaggebend für ein gutes Leben, sind beispielsweise Faktoren wie die Ausgaben des Staates – im Gesundheits- und Bildungsbereich zum Beispiel –, die Leistungen von Ökosystemen für die Artenvielfalt als ein Gradmesser für eine intakte Umwelt oder auch der private Konsum. Wohlfahrtsmindernd wirken unter anderem Einkommensungleichheit, Treibhausgasemissionen, der Verbrauch fossiler Brennstoffe und die volkswirtschaftlichen Kosten durch Verkehrsunfälle. Sie werden wie beim Bruttoinlandsprodukt in einem Geldwert zusammengefasst.
Dr. Benjamin Held vom FEST-Institut, einer der Autoren der Studie, fasst zusammen:
„Durch seine integrierte Sichtweise ermöglicht der RWI spannende Einblicke in die Entwicklung von Wohlfahrt und Nachhaltigkeit. Dabei ermöglicht der RWI einen erweiterten Blick, vermag aber auch nicht, alle relevanten Aspekte gesellschaftlicher Wohlfahrt abzubilden. Die Ergebnisse sollten deswegen immer auch im Kontext anderer Informationen betrachtet werden, zum Beispiel zu den planetaren Belastungsgrenzen.“
Dorothee Rodenhäuser, Co-Autorin der Studie, erläutert:
„Nationaler und regionale Wohlfahrtsindices (NWI und RWI) werden durch unser Institut seit fünfzehn Jahren berechnet. Die methodische Grundlage ist ein offenes und transparentes System, das im Sinne des ‚bestes-verfügbares-Wissen-Ansatzes‘ weiterentwickelt wird. Denn es gibt weiter Verbesserungsbedarf, etwa bei der Erfassung von Umweltkosten.“
Prof. Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung weist darauf hin, dass der NWI und die RWI geeignet sind, wichtige Lücken zu schließen, über die das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nichts aussagt:
„Einerseits werden beim BIP positive Dinge, die keinen Marktpreis haben, vernachlässigt. Andererseits wird die Umweltzerstörung nicht abgezogen – ohne Hochwasserkatastrophen wäre unser Wohlstand klar höher, obwohl die Kosten für die Wiederherstellung des vorherigen Zustands beim BIP mitgezählt werden“.
Minister Vogel:
„Brandenburg hat sich im letzten Jahrzehnt auf einen guten Weg begeben. Die Lebensqualität ist besser geworden. Die zuvor angewachsene Einkommensungleichheit ist wieder zurückgegangen und die Umweltkosten sind gesunken. Wenn wir diesen Weg konsequent weitergehen und im Umweltbereich die vom Kabinett 2022 beschlossenen Klima- und Energieziele erreichen, ist das Land für die Zukunft noch besser gerüstet.“
Anfang der 2000er Jahre zeigt sich ein durchwachsenes Bild: Von 1999 bis 2005 wuchs die Ungleichheit stark an, was zu einem Rückgang des RWI führte. Von 2005 bis 2009 gab es einen moderaten Anstieg durch das Konsumwachstum, von 2009 bis 2012 dann erneut einen starken Rückgang durch eine steigende Ungleichheit und Umweltkosten. Anschließend ist ein stetiger kräftiger Anstieg durch Konsumwachstum bei zurückgehender Ungleichheit und sinkenden Umweltkosten (dies vor allem durch die Stilllegung von Kraftwerksblöcken in Jänschwalde und den Ausbau erneuerbarer Energien) zu verzeichnen, der allerdings im Zuge der Corona-Pandemie gedämpft wurde.
Die Entwicklung in Brandenburg zeigt nur geringe Abweichungen von der des Bundes, fällt für Brandenburg aber ab 2012 insgesamt positiver als im Bundesdurchschnitt aus, nachdem sie zuvor negativer ausgefallen war.
Für die Jahre 2022 und 2023 lagen die Daten noch nicht vollständig vor. Dennoch halten es die Gutachter für gesichert, dass es 2022 nach den coronabedingten Konsumrückgängen zu einer deutlichen Erholung gekommen ist. Die negativen Effekte des Ukrainekriegs werden sich dagegen vermutlich erst im Jahr 2023 zeigen.