Am 9. Juni finden auch die Europawahlen statt. Wie wirken sich Entscheidungen der Europäischen Union (EU) auf Wandlitz aus? Die nächste Sitzung der Gemeindevertretung Wandlitz findet am 30. Mai statt. Bei welchen Wandlitzer Entscheidungen spielt EU-Recht eine Rolle?
Wie entsteht EU-Recht?
Europäisches Recht besteht aus Richtlinien und Verordnungen. Während
Verordnungen direkt in allen Mitgliedstaaten gelten, müssen Richtlinien durch
nationale Gesetze in den Staaten umgesetzt werden. Die Initiative für Richtlinien und Verordnungen geht immer von der Regierung der EU (offizielle Bezeichnung: Kommission) und den ihr unterstehenden Ministerien der EU (offizielle Bezeichnung Generaldirektionen) aus. Politisch geleitet werden die Generaldirektionen nicht von Ministern, sondern von Kommissaren. Jeder der 27 Mitgliedstaaten der EU nominiert einen Kommissar. Deutschland hat Ursula von der Leyen (CDU) nominiert. Sie ist die derzeitige Regierungschefin, also die Präsidentin der EU-Kommission.
Sobald die Generaldirektion einen Vorschlag für eine Richtlinie oder Verordnung ausgearbeitet hat und der Vorschlag von der EU-Kommission gebilligt wurde, sendet die EU-Kommission diesen Vorschlag an das Europäische Parlament sowie an den Rat der der Europäischen Union. Beide Institutionen haben dasselbe Mitspracherecht und müssen sich auf dessen Wortlaut einigen, damit ein Vorschlag EU-Recht wird. Der Rat der Europäischen Union ist ein Fachministerrat der jeweils zuständigen Landesminister der 27 EU-Staaten. Der Rat der Europäischen Union tagt je nach Politikbereich in unterschiedlichen Formaten. Es gibt also den Rat der Verkehrsminister, den Rat der Wirtschaftsminister, den Rat der Umweltminister, u.s.w.. An den Fachministerräten nimmt für Deutschland also der jeweils zuständige Bundesminister bzw. Bundesministerin teil.
Der Rat der Europäischen Union (Fachministerrat) darf nicht verwechselt werden mit dem Europäischen Rat: Vier Mal im Jahr kommen die EU-Staats- und Regierungschefs zusammen, um die allgemeine Ausrichtung der EU-Politik festzulegen.
EU-Recht in der Wandlitzer Stellplatzsatzung
Gemäß Brandenburgischer Bauordnung (BbgBO) können Gemeinden in Brandenburg örtliche Bauvorschriften über notwendige Stellplätze erlassen. Die Gemeinde Wandlitz hat von dieser Satzungsermächtigung Gebrauch gemacht und verpflichtet dadurch die Bauherren im Gemeindegebiet, notwendige Stellplätze und Abstellplätze für Fahrräder zu errichten. Ziel ist es, den öffentlichen Straßenraum weitestgehend vom ruhenden Verkehr zu entlasten. Wesentliche Inhalte der ersten Satzungsänderung waren die Pflicht zur Herstellung einer ausreichenden Anzahl von Abstellplätzen für Fahrräder sowie die Pflicht bei 20 Stellplätzen mindestens 10 % der Stellplätze mit einer Stromzuleitung für die Ladung von Elektrofahrzeugen vorzusehen. Mit der zweiten Änderung, die im Dezember 2019 von der Gemeindevertretung (GV) beschlossen wurde, wurde die Pflicht der Schaffung von Stromzuleitungen in eine Pflicht zur Verlegung von Leerrohren umgewandelt. In der gleichen Sitzung im Dezember 2019 gab es einen Antrag der Fraktionsgemeinschaft Die Linke/B90/Die Grünen/UWG zur Gestaltung von größeren Stellplatzflächen/Parkplätzen durch das Anpflanzen von Laubbäumen. Zudem sollte geprüft werden, ob auf Stellplätze verzichtet werden kann, wenn der Bauherr den Mietern ÖPNV-Zeitkarten, Hol- und Bringdienste oder Carsharing-Angebote anbietet. Der Antrag wurde von der GV beschlossen, eine entsprechende Änderung der Stellplatzsatzung ist bis heute nicht erfolgt.
Im Rahmen der Sitzungen des Bau- und Umweltausschusses im Mai 2024 hat die Verwaltung eine Mitteilungsvorlage zur erneuten Änderung der Stellplatzsatzung vorgelegt. Satzungsänderungen können nur per GV-Beschluss erfolgen. Weshalb die geplanten Änderungen nur zur Mitteilung vorgelegt werden, erschließt sich dem Leser aus der Vorlage nicht.
Eine geplante Satzungsänderung betrifft die Ausstattung von Stellplätzen mit Lade- und Leitungsstruktur für E-Autos bzw. E-Bikes. Die nun geplante Anpassung der Stellplatzsatzung an das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG) hätte wirklich nur einer Mitteilung bedurft. Dieses Gesetz setzt die EU-Gebäuderichtlinie in deutsches Recht um. Während die EU-Richtlinie das umzusetzende Minimum vorgibt, legt das deutsche Bundesgesetz den in Deutschland geltenden Standard fest. Gemäß GEIG gilt seit dem 25. März 2021:
- für neue Wohngebäude mit mehr als fünf Stellplätzen: Jeder Stellplatz ist mit Leitungsinfrastruktur für die Elektromobilität auszustatten.
- für Nichtwohngebäude mit mehr als sechs Stellplätze, muss mindestens jeder dritte Stellplatz mit der Leitungsinfrastruktur für die Elektromobilität ausgestattet und zusätzlich mindestens ein Ladepunkt errichtet werden.
Die EU-Richtlinie wurde 2024 erneut aktualisiert. Die überarbeitete Richtlinie enthält nun auch Vorgaben für die Bereitstellung von Fahrradstellplätzen. Da es in den meisten Landesbauordnungen bereits Bestimmungen zu Fahrradstellplätzen gibt, wird es keine gravierenden Abweichungen zur bisherigen Praxis geben.
Der Entwurf der Wandlitzer Stellplatzsatzung sieht vor, dass auf Stellplätze bei Mehrfamilienhäusern verzichtet werden kann, wenn der nächste Bahnhof im Umkreis von 1 km zu erreichen ist oder wenn Carsharing-Angebote zur Verfügung gestellt werden. Die Ablösesumme soll 5.000 Euro betragen. Mit diesem Entwurf wird der Vorschlag der Fraktionsgemeinschaft nicht umgesetzt. Zudem können laut Begründung zur Potsdamer Stellplatzsatzung keine Pauschalbeträge für eine Ablöse festgeschrieben werden. Vielmehr müsse eine Stellplatzsatzung aktuelle Herstellkosten sowie Grundstückskosten zugrunde legen. Die neue GV sollte daher den Entwurf der Stellplatzsatzung gründlich diskutieren.
Lärmaktionsplan – Stufe 4
Auf der nächsten Tagesordnung der GV steht auch das Thema „Lärmaktionsplan – Stufe 4“. Laut Europäischer Kommission ist Lärm – nach der Luftverschmutzung – die zweithäufigste Ursache für vorzeitige Todesfälle. Deshalb hat sich die Kommission das Ziel gesetzt, den Anteil der durch Verkehrslärm chronisch beeinträchtigten Menschen bis 2030 um 30 Prozent (im Vergleich zu 2017) zu senken. Die Richtlinie über Umgebungslärm soll die menschliche Gesundheit schützen, indem die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, die Lärmbelastung zu bewerten, damit die Behörden sowie die Bürgerinnen und Bürger im Rahmen verbindlicher Aktionspläne die besten Lösungen auswählen können.
Umsetzung in nationalen Recht durch § 47 BImSchG: Nach § 47 d des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) sind von Gemeinden, für die Lärmkarten erarbeitet wurden, Lärmaktionspläne aufzustellen, mit denen Lärmprobleme und Lärmauswirkungen geregelt werden.
Lärmaktionspläne sind bei bedeutsamen Entwicklungen, ansonsten alle fünf Jahre – in der 4. Runde bis zum 18.07.2024 – zu überprüfen und erforderlichenfalls zu überarbeiten.
Mindestanforderungen an Lärmaktionspläne, u.a.
- die bereits vorhandenen oder geplanten Maßnahmen zur Lärmminderung
- die für die nächsten fünf Jahre geplanten Maßnahmen, einschließlich der zum Schutz ruhiger Gebiete geplanten Maßnahmen
- die langfristige Strategie
Die Europäische Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, da Deutschland die erforderlichen Aktionspläne bisher nicht fristgerecht übermittelt hat.[1] Dem Antrag Deutschlands auf Fristverlängerung hat die EU stattgegeben und somit der drohenden Klage Aufschub gewährt. Die Gemeinde Wandlitz möchte in der GV-Sitzung am 30. Mai erst die Vergabe der Planungsleistungen an ein Ingenieurbüro für die Überarbeitung des Lärmaktionsplanes beschließen. Das durch das Büro zu erstellende Arbeitsergebnis muss mit der Öffentlichkeit diskutiert werden und dann durch die GV beschlossen werden. Dies wird bis zum 18.07.2024 wohl kaum zu schaffen sein.
[1] https://germany.representation.ec.europa.eu/news/vertragsverletzungsverfahren-entscheidungen-zu-deutschland-2024-03-13_de
Bebauungsplan „Schloss und Park Dammsmühle“
Schloss Dammsmühle ist ein neobarockes Herrenhaus im Ortsteil Schönwalde. 1894, nach dem Kauf durch Adolf Wollank, erhielt der Herrensitz seine heutige Grundgestalt[1]. Die Projekt Schloss Dammsmühle GmbH (Vorhabenträger) beabsichtigt nun die Errichtung und den Betrieb einer Hotel- und Freizeitanlage in Dammsmühle in der Gemeinde Wandlitz. Die Gemeindevertretung fasste am 05.12.2019 den Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplanes. Ein Hotelbetrieb verbraucht eine Menge Wasser. Den Gemeindevertretern und Ausschussmitgliedern war es daher ein wichtiges Anliegen, eine dezentrale Entsorgung des Abwassers vor Ort zu erreichen. Eine dezentrale Lösung für das Abwasser soll gefunden werde, um das Wasser im regionalen Kreislauf zu halten. Für die letztendliche Entscheidung über die Abwasserentsorgung ist die Untere Wasserbehörde in Eberswalde zuständig. In der Sitzung des Hauptausschusses im September 2023 schlug der Bürgermeister vor, mit der Unteren Wasserbehörde das Gespräch zu suchen und die Ablehnungsgründe zu erfragen. Ob dies geschehen ist, geht aus den Sitzungsunterlagen nicht hervor. In dieser Sitzung wurde die Gemeindeverwaltung beauftragt, sicherzustellen, dass die Abwägungsvorschläge bei der abschließenden Planbearbeitung berücksichtigt werden, insbesondere dass eine eigenständige Abwasserentsorgung vor Ort stattfindet. In der GV-Sitzung am 12.10.2023 beschloss die GV einstimmig: „Die Gemeindevertretung empfiehlt und unterstützt, eine autarke dezentrale Schmutzwasserentsorgung mit anschließender Wiederverwertung des gereinigten Schmutzwassers entsprechend den EU-Richtlinien.“
Seit dem Jahr 2000 ist für den Gewässerschutz in der EU die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) (2000/60/EG) richtungsweisend. Sie gibt als zentrales Ziel vor, Oberflächengewässer und Grundwasser so zu schützen, zu verbessern und zu sanieren, dass sie einen „guten Zustand“ aufweisen.
Für Grundwasser ist dieses Ziel als guter mengenmäßiger und guter chemischer Zustand definiert. Der mengenmäßige Zustand ist gut, wenn unter anderem die langfristige mittlere jährliche Grundwasserentnahme das nutzbare Grundwasserdargebot nicht übersteigt. Das heißt, wenn sich Neubildung und Entnahme von Grundwasser im Gleichgewicht befinden. Zudem muss der Grundwasserspiegel so hoch sein, dass von dem Wasser abhängige Oberflächengewässer und Landökosysteme nicht gefährdet werden.
Um die Grundwasserrichtlinie in nationales Recht umzusetzen, wurde im Oktober 2010 eine neue Grundwasserverordnung (GrwV) verabschiedet.[2]
Nachdem der Bebauungsplan dreimal öffentlich ausgelegt worden ist, soll der Bebauungsplan nun endgültig beschlossen werden. In der aktualisierten Begründung zum Bebauungsplan ist zu lesen: „Die Entscheidung darüber, welche Formen der Erschließung wirtschaftlich realisierbar und genehmigungsfähig sind, soll aufgrund des damit verbundenen Prüfungsaufwandes erst in einem anschließenden Baugenehmigungsverfahren geklärt werden. Die Klärung der Abwasserbehandlung beim Restaurantbetrieb erfolgt im nachgelagerten Genehmigungsverfahren.“
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Dammsm%C3%BChle
[2] https://www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/wasserrecht/grundwasserrecht