Eberswalde: Statistisch gesehen stirbt in Deutschland alle sechs Minuten ein Mensch an Sepsis. Trotz der Bedeutung dieses Themas ist es allgemein weniger bekannt. Der World Sepsis Day am 13. September soll darauf aufmerksam machen. Ein großer Teil der Erkrankungen und Todesfälle wären vermeidbar. Zur Früherkennung wird jetzt am Eberswalder GLG Werner Forßmann Klinikum in Eberswalde ein spezieller Score genutzt. Was wiederum zum Internationalen Tag der Patientensicherheit am 17. September passt, der in diesem Jahr unter dem Motto „Diagnosesicherheit“ steht. Zugleich hat das Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V. eine deutschlandweite Kampagne zur Sepsis gestartet. Auch die GLG-Krankenhäuser sind aktiv.
Haben Sie gewusst, dass Sepsis mit zirka 85.000 Todesfällen pro Jahr in Deutschland die dritthäufigste Todesursache ist? Es versterben doppelt so viele Menschen im Krankenhaus an einer Sepsis wie an Schlaganfall und Herzinfarkt zusammen. Ein Großteil der Sepsisfälle könnte durch frühzeitiges Erkennen, Präventionsmaßnahmen und bessere Behandlung vermieden werden. Aufklärung und Weiterbildung sind dabei das A und O – und daher auch das Ziel der Kampagne mit dem Titel #DeutschlandErkenntSepsis. Sie soll dazu beitragen, den Wissensstand in der Bevölkerung und beim medizinischen Personal zu erweitern, um die hohen Sepsiszahlen zu senken.
Unbehandelt immer tödlich!
Eine Blasenentzündung, ein grippaler Infekt, eine Bronchitis, ja sogar eine ambulante Zahn-OP kann in eine Sepsis übergehen. Die Sepsis – auch „Blutvergiftung“ genannt – ist die schwerste Verlaufsform einer Infektion und endet unbehandelt immer tödlich. So informiert die Kampagne, an der sich viele Partner wie die Sepsis-Stiftung, der „SepsisDialog“ der Universitätsmedizin Greifswald, die Deutsche Sepsis-Hilfe e.V. und das Deutsche Qualitätsbündnis Sepsis (DQS) beteiligen und die vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert wird. Damit mehr Menschen die Gefahr einer Sepsis erkennen, selbstwirksam handeln und sich und ihre Mitmenschen schützen können, werden Informationsmaterialien zur Verfügung gestellt. Eine leicht verständliche Checkliste, die mehrsprachig im Internet unter www.deutschland-erkennt-sepsis.de zu finden ist, fasst Risikofaktoren und Symptome einer Sepsis im Überblick zusammen. Die typischen Anzeichen sollte jeder kennen. Dazu zählen z.B. ein nie gekanntes Krankheitsgefühl, ein veränderter Puls unter 50/min oder über 120/min, feucht-kalte oder marmoriert aussehende Haut, extreme Schmerzen, Fieber/Schüttelfrost. Sehr wahrscheinlich ist eine Sepsis, wenn der Betroffene außerdem verwirrt und wesensverändert wirkt, apathisch und kurzatmig ist und der obere Blutdruckwert unter 100 liegt. Dann ist es allerhöchste Zeit, unverzüglich die 112 anzurufen und am Telefon am besten gleich den Verdacht auf eine Sepsis zu äußern!
Infektionen vermeiden
„Eine Sepsis entsteht, wenn eine örtliche Infektion durch die Immunantwort des Organismus nicht effektiv eingegrenzt werden kann“, erklärt Dr. Thomas Ihmann, Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie am GLG Werner Forßmann Klinikum und Ärztlicher Koordinator des Fachbereichs Intensivmedizin. „Die Reaktion des Körpers auf die Infektion ist bei der Sepsis zudem überschießend, das heißt, dass die Körperabwehr die eigenen Gewebe und Organe angreift und bis zum Organversagen schädigt.“
Wie kann man Sepsis verhindern – welche Mittel hat man in der Hand?
„Hand ist schon mal ein wichtiges Stichwort“, sagt Dr. Thomas Talaska, Chefarzt der Krankenhaushygiene der GLG. „Denn eine konsequente Händedesinfektion bei Krankenhausbesuchern und Personal hat eine grundlegende Schutzwirkung auch gegen Sepsis. Eine Sepsis kann sich prinzipiell aus jedem Infektionsfokus heraus entwickeln durch Viren, Bakterien, Pilze oder Parasiten. Generell ist jeder Schutz vor Infektionen zugleich Sepsisprävention.“ Dazu gehört es auch, bei angezeigter Situation Atemschutzmasken und Einmalhandschuhe zu tragen und sich stets umsichtig im Sinne der Hygiene zu verhalten. Außerdem kann jeder durch vorbeugende Impfungen gegen Grippe und Pneumokokken und durch die allgemeine Stärkung der eigenen Abwehrkräfte sein Sepsis-Risiko vermindern. Symptome einer Sepsis können sehr subtil in Erscheinung treten und zu spät bemerkt werden. Zur besseren Überwachung des Patientenzustandes wurde daher im vergangenen Jahr im Eberswalder Klinikum ein sogenannter Early Warning Score (EWS) als Pilotprojekt getestet und soll nun sukzessive in allen Bereichen eingeführt werden. Es handelt sich um ein Frühwarnsystem zur Verhinderung von Komplikationen und Zwischenfällen bei Krankenhauspatienten. Der EWS bezieht eine Vielzahl an Vitalparametern und weiteren Messgrößen ein und ermöglicht eine Gesamtbewertung des Zustands eines Patienten, aus der sich auch Hinweise auf eine sich entwickelnde Sepsis ergeben können. Eric Lange, Qualitätsmanagementbeauftragter am Klinikum, sagt dazu: „Sogenannte Zwischenfälle, die früher noch als unvermeidbar oder schicksalhaft galten, dürfen wir heute so nicht mehr akzeptieren, denn wir haben mit dem EWS ein Instrument eingeführt und im Pilotprojekt erfolgreich getestet, das uns auch schleichende und zunächst unbemerkt verlaufende Verschlechterungen eines Gesundheitszustandes frühzeitig signalisiert.“
Behandlung der Sepsis
Zur Behandlungsmöglichkeit von Sepsis sagt Dr. Doris Cesarz, chefärztliche Krankenhaushygienikerin am GLG Werner Forßmann Klinikum: „Bei septischen Patienten ist das Zeitintervall bis zum Start der empirischen Antibiotikatherapie entscheidend und daher minimal zu halten! Sobald der Infektionsfokus oder Erreger bekannt sind, muss die Therapie entsprechend angepasst werden.“ Oft werden Patienten mit Sepsis auf einer Intensivstation behandelt. „Das kann Tage bis mehrere Wochen dauern, je nach Schweregrad der Erkrankung, den vorliegenden Grunderkrankungen und möglichen Komplikationen“, sagt Dr. Thomas Ihmann. „Viele Patienten befinden sich zumindest einige Zeit im künstlichen Koma und müssen künstlich beatmet werden.“ Das Team der Intensivstation kontrolliert die Entzündungswerte sowie die Vitalparameter, um sofort auf Veränderungen reagieren zu können und führt die Antisepsis-Therapie durch. Dabei wird ein Breitspektrumantibiotikum intravenös verabreicht, das alle wesentlichen in Frage kommenden Bakterien erfasst. Je nach Laborwerten können gezielt auch mehrere Antibiotika eingesetzt werden. Dazu kommt das gesamte intensivmedizinische Management von Komplikationen. Sobald der Patient die Sepsis überstanden hat, wird er auf eine Normalstation oder in eine Rehaklinik verlegt.
Bewältigung der Folgen
Die Genesung verläuft meistens nicht kontinuierlich. So gibt es nach Phasen der Besserung wieder Zeiten, in denen keine Fortschritte zu erkennen sind oder gar Rückschritte und Komplikationen auftreten. Aufgrund der Schwere der Erkrankung können dies leider auch die Ärzte nicht vermeiden oder vorhersehen. Drei Viertel der geretteten Sepsispatienten kämpfen noch jahrelang mit teils gravierenden Beeinträchtigungen – zum Beispiel Lähmungen, wenn Nerven geschädigt wurden oder Amputationen infolge der gestörten Durchblutung von Gliedmaßen. Nicht zuletzt haben die Betroffenen die Sepsis auch psychisch zu verarbeiten.
„Die Dringlichkeit, mehr gegen Sepsis zu tun, ist offensichtlich“, sagt Dr. Doris Cesarz. „Wir haben am Klinikum eine Sepsis-Gruppe ins Leben gerufen, die weitere Maßnahmen plant und beziehen das Thema auch im Rahmen der Aktion Saubere Hände mit ein.“ Diese Aktion findet am 17. September im GLG Krankenhaus Angermünde und am 19. September im GLG Kreiskrankenhaus Prenzlau statt, jeweils von 12 bis 14 Uhr.