Die Zahl der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge, die bei uns einen Asylantrag stellen, steigt in den letzten Monaten wieder deutlich an. Bund sowie Länder sind alarmiert und die politische Diskussion u.a. über die Einführung von Grenzkontrollen, die Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht etc. hat wieder Fahrt aufgenommen. Im Grundgesetz ist unter Art. 16a der Schutz politisch Verfolgter fest verankert. Dieses Grundrecht sichert einem Asylsuchenden, der die Grenzen Deutschlands erreicht hat, den Zugang zum Asylverfahren und zwar unabhängig vom tatsächlichen Fluchtgrund. Neben dem Grundgesetz gilt die Genfer Flüchtlingskonvention.
Darüber hinaus stellt die Zahl der aus der Ukraine nach Deutschland flüchtenden Menschen die Städte und Kommunen in ganz Deutschland ebenfalls vor enorme Herausforderungen. Geflüchtete aus der Ukraine genießen jedoch einen Sonderstatus und fallen in der Regel nicht unter das Asylrecht. Auch der Landkreis Barnim ist gesetzlich verpflichtet, vom Land Brandenburg auf Basis des sogenannten Königsteiner Schlüssels zugewiesene Asylbewerber aufzunehmen und ausreichende Kapazitäten für ihre Unterbringung vorzuhalten.
In der Klosterfelder Mensa fand am 17. Januar 2023 eine Informationsveranstaltung des Landkreises zum geplanten neuen Übergangswohnheim für Geflüchtete in der Güterbahnhofstraße statt. Thematisiert wurde u.a. auch das für den Barnim für 2023 festgelegte Aufnahmesoll von 2.034 Menschen.
„Das ist ein sehr kontroverses Thema. Sorgen, die wir haben, haben auch alle anderen Kommunen“, so Silke Nessing, Sozialdezernentin beim Landkreis. Aber am Landesaufnahmegesetz gehe kein Weg vorbei. „Es geht nicht darum, wo wir solche Einrichtungen eröffnen, sondern dass wir anfangen,“ so die Sozialdezernentin. Deshalb seien Gespräche auch mit den anderen Städten und Kommunen im Landkreis in Planung, um eine möglichst gerechte Verteilung der Geflüchteten im Landkreis sicherzustellen.
In dem ehemaligen Bürogebäude in der Güterbahnhofstraße will der Landkreis bis zu 80 Geflüchtete unterbringen. Geplant sei eine sukzessive Aufnahme. Auf die Herkunftsländer, das Geschlecht und das Alter der Geflüchteten hat der Landkreis, so die Sozialdezernentin, keinen Einfluss. Das geplante Übergangswohnheim wird keine Einrichtung für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge. Der im Normalfall für Übergangswohnheime geltende Betreuungsschlüssel für soziale Arbeit ist auch aus Sicht des Landkreises viel zu gering. Hier will der Landkreis, wenn möglich, finanzielle Mittel aus dem „Brandenburg-Paket“ als zusätzliche Mittel für die soziale Betreuung beantragen bzw. nutzen.
Das Objekt in der Güterbahnhofstraße ist seit 2015 beim Landkreis als mögliche Einrichtung für die Unterbringung von Geflüchteten gelistet. Es besteht bisher noch kein Mietvertag mit dem Eigentümer. Die zurzeit schon laufenden Renovierungsarbeiten des Eigentümers sind nicht baugenehmigungspflichtig. Das Baugenehmigungsverfahren, das eine Nutzung als Übergangswohnheim sichern würde, läuft noch. Die vom Eigentümer schon mehrfach beantragte und von der Bauaufsichtsbehörde des Landkreises nicht genehmigte Nutzung des Gebäudes für den Umbau zu Wohnungen steht der jetzt geplanten Nutzung nicht entgegen. Vielmehr handele es sich, so Uwe Stegert, Leiter des Bauordnungsamtes des Landkreises, bei den jetzigen Planungen um eine Nutzung für soziale Zwecke, für die andere rechtliche Voraussetzungen gelten als für eine Wohnnutzung.
Bürgermeister Oliver Borchert führte zu geäußerten Befürchtungen, dass es nicht genug Kita- und Schulplätze in Klosterfelde gebe, aus: „Mit der Eröffnung der neuen Kita in der Mühlenstraße in Klosterfelde Anfang Februar verdoppelt sich die zur Verfügung stehende Zahl an Kitaplätzen in Klosterfelde. Hierdurch werden gleichzeitig freie Kapazitäten in der Kita Spatzennest geschaffen, die für die Hortbetreuung genutzt werden können. Zusätzlich aktualisiert die Verwaltung die Zahlen für den Kita- und Schulbedarf und prüft die Notwendigkeit von temporären Containerlösungen an den Schulstandorten. Es ist nicht klar, wie viele Kinder in der neuen Übergangseinrichtung untergebracht werden. Allerdings haben wir es in der Gemeinde in allen Schulen und Kindergärten geschafft, die Kinder der Übergangswohnheime Wandlitz, Basdorf und Ützdorf sowie auch alle hier wohnenden Kinder zu beschulen und zu betreuen. Dass die Platzverhältnisse eng und nicht optimal sind, liegt nicht an den Flüchtlingskindern, sondern an der fehlerhaften Kita- und Schulentwicklungspolitik in den Jahren vor meinem Amtsantritt.“
Er widersprach der Befürchtung, dass es zu einem Anstieg im Bereich der Kriminalität kommen würde. Oliver Borchert: „Trotz nicht optimaler Bedingungen in den drei schon lange existierenden Übergangswohnheimen in der Gemeinde, gibt es bei uns keine Signifikanz im Bereich der Straftaten bei Menschen mit Migrationshintergrund.“ Aber auch im Klosterfelder Übergangswohnheim werde es, wie bei allen Einrichtungen, einen Wachschutz geben.
Bürgermeister Oliver Borchert ist überzeugt, dass die Herausforderungen, die möglicherweise mit dem neuen Übergangswohnheim in Klosterfelde auf die Gemeinde zukommen, gemeinsam gelöst werden können. „Was es dazu in erster Linie braucht, sind Offenheit und Hilfe von Politik und Zivilgesellschaft. Wir brauchen Menschen, die den neu zu uns kommenden Menschen, die wegen Krieg und Vertreibung oder auch durch Klimafolgen und Hunger einer lebensfeindlich gewordenen Heimat entfliehen, mit Empathie begegnen und ihnen aufgeschlossen gegenübertreten. Was es ebenfalls braucht, sind gut ausgestattete staatliche Stellen, die soziale Hilfe und Unterstützung bei der notwendigen Integration der Menschen leisten können.“
Die Gemeinde habe bewiesen, wie eine gute Willkommenskultur und gelingende Integrationsarbeit aussehen können. Seit ziemlich genau zehn Jahren gebe es jetzt das Übergangswohnheim in Wandlitz, später kamen Basdorf und Ützdorf hinzu. Oliver Borchert: „Es ist schon fast in Vergessenheit geraten, aber ich möchte noch einmal daran erinnern: die Gemeinde avancierte in den ersten Jahren nach 2012 zum Vorzeigemodell in Brandenburg. Die Medien berichteten bundesweit über die Willkommenskultur und den „Runden Tisch Willkommen“. Andere Städte nutzten die Wandlitzer Erfahrungen für ihre eigenen Integrationsmaßnahmen und 2012 wurde die Gemeinde – quasi vorauseilend – von der Bürgerstiftung Barnim-Uckermark mit dem Förderpreis für Demokratie ausgezeichnet.“