Kulturstaatssekretär Tobias Dünow hat heute Abend mit dem Neuruppiner Bürgermeister Nico Ruhle und dem Juryvorsitzenden Prof. Dr. Iwan-Michaelangelo D‘Aprile den Fontane-Literaturpreis an Matthias Nawrat in der Kulturkirche Neuruppin übergeben. Von der unabhängigen Jury für den gemeinsamen Literaturpreis der Fontanestadt und des Landes Brandenburg wurde der Schriftsteller und Lyriker Matthias Nawrat für seinen Gedichtband ‘Gebete für meine Vorfahren‘ geehrt.
Der mit 40.000 Euro dotierte Fontane-Literaturpreis wird in Würdigung Theodor Fontanes als 24-monatiges Stipendium an Autor*innen verliehen, die mit einem Werk erstmalig herausragendes öffentliches Interesse gefunden haben. Der Preis soll sie dabei unterstützen, diesen Weg erfolgreich fortzusetzen. Die musikalische Begleitung der Preisverleihung übernahm der Singer-Songwriter Martin Lischke alias ‘Schraubenyeti‘. Die Laudatio auf Matthias Nawrat hielt Dr. Wiebke Porombka, Literaturkritikerin und Mitglied der diesjährigen Jury des Fontane-Literaturpreises.
Brandenburgs Kulturstaatssekretär Tobias Dünow:
„Wir kennen Matthias Nawrat als Romancier, als Journalisten und Essayisten – und nun glücklicherweise auch als Lyriker. Seine Werke behandeln immer wieder das menschliche Ringen zwischen Ego und Empathie, die Suche nach Zugehörigkeit zwischen Herkunft und Zukunft, die Zweifel an der Sprache angesichts realer Gewalt. Doch: Literatur reagiert auf die Realität, indem sie Unaussprechliches in Worte fasst, indem sie Zeugnis für uns ablegt, indem sie Verstummten eine Stimme gibt. Brandenburg als Literaturland will, dass herausragende Autorinnen und Autoren in Ruhe ihre Stimme entwickeln können. Deshalb beteiligt sich unser Ministerium seit 2019 am Fontane-Literaturpreis, der mit 40.000 Euro einer der höchstdotierten Literaturpreise in Deutschland ist – und als Stipendium vergeben wird, damit die Ausgezeichneten ohne finanzielle Sorgen schreiben und experimentieren können. Wir freuen uns sehr, mit der Stadt Neuruppin die zukünftigen Stars der Literaturszene zu entdecken und zu unterstützen – einer von ihnen ist Matthias Nawrat! Herzlichen Glückwunsch zum Fontane-Literaturpreis 2023!“
Nico Ruhle, Bürgermeister der Fontanestadt Neuruppin:
„Mit Matthias Nawrat zeichnen wir einen Schriftsteller aus, der Mitmenschlichkeit in poetischer Form – Gebete für meine Vorfahren – verdichtet. Ich bin mir sicher, dass wir von ihm noch viele weitere Werke mit entsprechenden Würdigungen erleben dürfen. Der Fontane-Literaturpreis soll ihm die Gelegenheit geben, seinen erfolgreichen Weg fortzuführen. Ich freue mich, ihm symbolisch unseren gemeinsamen Preis von Stadt und Land: den gravierten Füller von Cleo Skribent Platinum, überreicht zu haben und nun seine Signatur in unserem Ehrenbuch vorzufinden. Lieber Herr Nawrat, meinen herzlichen Glückwunsch und weiterhin viel Erfolg!“
Auszüge aus der Jurybegründung:
Prof. Dr. Iwan-Michelangelo D’Aprile (Juryvorsitzender): „Mit Matthias Nawrat zeichnet die Jury einen Autor aus, der wie kein anderer jüngerer Gegenwartsautor die deutsch-polnische Beziehungsgeschichte und -gegenwart literarisiert. Sein Roman „Der traurige Gast“ etwa erzählt vielfach verschachtelt von Lebenswegen polnischer Migranten in Deutschland. Im Roman „Die vielen Tode unseres Opas Jurek“ setzt sich Nawrat mit der Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts auseinander, die wir noch bis vor Kurzem überwunden glaubten. Dies sind auch Themen seines nun mit dem Fontane-Literaturpreis ausgezeichneten Gedichtbands „Gebete für meine Vorfahren“, der wie ein lyrisches Kondensat seiner bisherigen Werke erscheint. Nicht nur in diesem Sinn handelt es sich um hochaktuelle Literatur. […] In Nawrats Poetisierung historischer Landschaften, Räume und Orte offenbaren sich nicht zuletzt auch überraschende Verbindungen zum Namensgeber unseres Preises, Theodor Fontane. Fragt man nach literarischen Vorläufern der Oderland-Literatur, wie wir sie in den „Gebeten für meine Vorfahren“ finden, wird man unweigerlich an Fontanes großen Erstlingsroman „Vor dem Sturm“ oder an den Oderland-Band der „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ denken. […]“
Die Jury:
- Prof. Dr. Iwan-Michelangelo D’Aprile (Juryvorsitzender, Vorsitzender der Theodor Fontane Gesellschaft e.V.)
- Nadine Kreuzahler (freie Autorin, Reporterin, Redakteurin des rbb-Inforadio-Formats ‘Orte und Worte‘)
- Dr. Wiebke Porombka (Literaturredakteurin und -kritikerin)
- Judith Zander (Schriftstellerin und Übersetzerin, Preisträgerin des Fontane-Literaturpreises 2021)
- Johanna Hahn (Geschäftsführerin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels Berlin-Brandenburg e.V.)
Matthias Nawrat wurde 1979 im polnischen Opole – Partnerstadt der Landeshauptstadt Potsdam – geboren. Er studierte Biologie in Heidelberg und Freiburg im Breisgau, danach Literarisches Schreiben am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel/Bienne. Seit 2012 lebt er als freier Schriftsteller in Berlin. Er veröffentlichte Erzählungen, Essays, ein Tagebuch sowie mehrere Romane. Für seine Bücher erhielt er bereits den Literaturpreis der Europäischen Union 2020. Zuletzt erschien im Oktober 2022 beim Kölner Verlag parasitenpresse sein Gedichtband ‘Gebete für meine Vorfahren‘: Seine Gedichte sprechen von den Vergessenen der Geschichte und von denjenigen unserer Zeit. Sie sind konkret verortet in Berlin, Opole, Hyderabad oder Kabul. Sie sind Fahrten durch Landschaften und das in ihnen verborgene Wissen. Sie handeln von einer Kindheit in Polen, von Flucht und von Heimatlosigkeit. Sie befragen die europäische Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts und die der globalisierten Gegenwart.
Am 25. August um 19.00 Uhr liest Matthias Nawrat im Rahmen der Fontane-Festspiele beim Europäischen Festival der Reiseliteratur ‘Neben der Spur‘ aus seinem Gedichtband im Alten Gymnasium in Neuruppin.
Der Fontane-Literaturpreis der Fontanestadt Neuruppin und des Landes Brandenburg hat mehrere Vorgänger. Er wurde erstmals von 1913 bis 1922 vergeben, unter anderen an Annette Kolb, Carl Sternheim und Alfred Döblin. Nach 1949 gab es zwei Fontane-Preise: Den Westberliner Preis erhielten unter anderen Peter Huchel, Günter Grass und Wolf Biermann. Der Preis des DDR-Bezirks Potsdam ging beispielsweise an Walter Kaufmann, Christa Wolf und Helga Schütz. Im Jahr 1994 wurde der Fontane-Literaturpreis von Theodor Fontanes Geburtsstadt Neuruppin neu gestiftet, seit 2010 wurde er im Zwei-Jahres-Rhythmus mit Unterstützung des Mäzens Dr. Hans E. Weber vergeben. Zu den Preisträgerinnen und Preisträgern gehörten etwa Charlotte Jolles, Lutz Seiler und Christoph Ransmayr. Im Jahr 2019 wurde der Fontane-Literaturpreis erstmalig gemeinsam von der Fontanestadt Neuruppin und dem Land Brandenburg an die Autorin Dr. Peggy Mädler für ihren Roman ‘Wohin wir gehen‘ verliehen, 2021 ging der Preis an die Schriftstellerin Judith Zander für ihren Roman ‘Johnny Ohneland‘. Der Preis wird alle zwei Jahre verliehen.
Das Literaturland Brandenburg hat eine reiche Literaturgeschichte und eine lebendige Gegenwartsliteratur. Dazu zählen ‘klassische‘ Autorinnen und Autoren, wie Heinrich von Kleist, Theodor Fontane, Gerhart Hauptmann, Bettina und Achim von Arnim, Kurt Tucholsky, Bertolt Brecht, Peter Huchel und Eva Strittmatter, ebenso wie die zeitgenössischen Schriftstellerinnen und Schriftsteller Lutz Seiler, Antje Rávic Strubel, Julia Schoch und Juli Zeh. Das Land unterstützt das literarische Leben mit knapp zwei Millionen Euro jährlich. Gefördert werden sowohl Autorinnen und Autoren mit Stipendien und Preisen als auch überregional wirksame Vereine und Netzwerke wie der Brandenburgische Literaturrat, das Brandenburgische Literaturbüro Potsdam, die Fontane Festspiele und das Literaturfestival LIT:potsdam. Auch literarische Gedenkstätten werden unterstützt: Das Land finanziert das Theodor-Fontane-Archiv an der Universität Potsdam sowie – gemeinsam mit der Stadt und dem Bund – das Kleist-Museum in Frankfurt (Oder) und fördert zudem unter anderem das Gerhart-Hauptmann-Museum in Erkner, das Peter-Huchel-Haus in Wilhelmshorst und das Kurt-Tucholsky-Literaturmuseum in Rheinsberg.
Weitere Informationen: www.fontanepreis.de