Mehr denn je bringen sich Bürgerinnen und Bürger aktiv bei der Gestaltung ihres Lebensumfeldes wie etwa ihres Ortsteils ein, sie wollen bei Planungen und Entwicklungen im öffentlichen Bereich mitreden und Entscheidungen nicht allein Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertretern überlassen.
Bürgerbeteiligung ist kein Modephänomen, sondern ein Grundprinzip der Kommunalpolitik. Die aktive Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger ist Grundlage und gelebte Praxis kommunaler Selbstverantwortung. Nur so lassen sich die Herausforderungen in den Kommunen bewältigen. Eine Gemeindeentwicklung, die an den Menschen vorbeiplant und deren Meinung und Wissen nicht einbezieht, kann und wird nicht funktionieren. Nur wenn Bürgerinnen und Bürger ihre eigenen Vorstellungen mit in die Planungs- und Umsetzungsprozesse kommunaler Vorstellungen einbringen können, trägt dies in der Folge zur Identifikation mit ihrer Gemeinde bei. Denn gerade Gemeinden werden von der breiten Zustimmung ihrer Bewohner getragen. Die Einbeziehung der Bürgerschaft in die Erfüllung der Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft ist Kern kommunaler Selbstverantwortung.
Welche Formen der Bürgerbeteiligung gibt es? Bei welchen Tagesordnungspunkten der letzten Sitzung der Gemeindevertretung (GV) am 30.5./03.06.2024 konnten Bürgerinnen und Bürger sich einbringen? Und wo ist bürgerschaftliches Engagement in Kürze gefragt?
- Petitionsrecht
Herstellung Zugang zur Uferpromenade Wandlitzer See
Jeder hat das Recht, sich in Gemeindeangelegenheiten mit Vorschlägen, Hinweisen und Beschwerden einzeln oder gemeinschaftlich an die Gemeindevertretung (GV) oder den Bürgermeister zu wenden.
Viele Wandlitzer schwimmen gern morgens oder in den Abendstunden eine Runde im Wandlitzsee oder sie gönnen sich am Ufer eine Pause. Über viele Jahre hinweg nutzten sie dafür Weg und Treppe am Hotel „Seeterrassen“. 2013 wurde für einen Teil des Hotelgrundstücks ein Bebauungsplan beschlossen, um eine Wohnanlage mit 8 Wohnungen zu errichten. Kurze Zeit nach Fertigstellung des Gebäudes und Einzug der Erwerber wurde der bisherige Seezugang für die Öffentlichkeit geschlossen. Auf Seite 12 der Begründung zum Bebauungsplan ist zu lesen: „Da das Plangebiet vormals mit dem benachbarten Hotelgrundstück eine wirtschaftliche Einheit bildete, gehören heute der westliche Teil der namensgebenden Seeterrassen und der westliche Treppenaufgang zum Plangebiet; der jeweils östliche Teil der Anlagen gehört weiterhin zum Hotel „Terrassen am See“. Für die Öffentlichkeit ist damit das Hotel auch mit seiner Freiluftgastronomie weiterhin direkt von der Seepromenade aus erreichbar.“ [1]Vermutlich rechnete niemand mit der Schließung des Seezugangs, denn in dem Bebauungsplan hätte der Weg als öffentlicher Weg festgesetzt werden können. Ob es dazu Gespräche gab oder ob sich die Gemeinde in diesen Verhandlungen nicht durchsetzen konnte, ist der Verfasserin nicht bekannt.
Seitdem gingen zahlreiche Bürgerschreiben und Anfragen von Kommunalpolitikern bei der Verwaltung ein. Aufgrund der Vielzahl der Anfragen prüfte 2021 die Verwaltung Möglichkeiten einer Wegeführung. [2] Als potentiell umsetzbar schätzte die Verwaltung eine Wegeführung über die Flurstücke 1358 oder 1336/2 ein. Die Verwaltung kam zu dem Schluss: „Das Flurstück 1336/2 ist am ehesten für die Herstellung eines neuen Weges geeignet“. Richtig diskutiert wurden die Alternativen nie. Der Ortsbeirat nahm den Vorschlag der Verwaltung mit u.g. Mitteilungsvorlage zur Kenntnis. In der Sitzung der GV am 03.06.2024 wurde die Umsetzung des Seezuganges beschlossen. Die Investitionskosten für die Umsetzung der „Treppenvariante“ werden sich voraussichtlich auf ca. 177.000 € einschließlich Umsatzsteuer belaufen.
An diesem Beispiel wird deutlich: Langjährige Anfragen der Wandlitzer Bürgerinnen und Bürger zahlen sich aus.
- 2. Einwohnerfragestunde
Badestelle Wandlitzsee (Nähe Stolzenhagener See) an der Philipp-Müller-Straße
Der Bürgermeister unterrichtet zu Beginn der öffentlichen Sitzung der GV über die wichtigen Gemeindeangelegenheiten. Im Anschluss können die Einwohner zu Angelegenheiten der Gemeinde im Rahmen der Einwohnerfragestunde Fragen an den Bürgermeister oder die Gemeindevertreter stellen sowie Anregungen unterbreiten.
Der Wandlitzsee war und ist prägend für die Gemeinde. Alles, was am und um den See herum geschieht, ist daher von besonderem Interesse für die Wandlitzer Bürgerinnen und Bürger. Am See gibt es nicht nur das Strandbad sondern auch „wilde“ Badestellen. Über eine dieser „wilden“ Badestellen und zwar der Badestelle am Wandlitzsee (Philipp-Müller-Straße) war im Bericht des Bürgermeisters anlässlich der letzten GV am 30.05.2024 Folgendes zu lesen:
„Bei dem Flurstück 253/1 der Flur 3 von Stolzenhagen handelt es sich um die wilde Badestelle am Wandlitzsee (Philipp-Müller-Straße). Auf diesem Flurstück wurden nicht nur Bäume hinsichtlich einer Waldbewirtschaftung ausgezeichnet, sondern auch unter dem Aspekt der Verkehrssicherheit. Viele Bäume werden dort entfernt.
Für den Zeitraum (ca. 2-3 Tag) der Arbeiten wird der Zutritt zum Grundstück nicht möglich sein. Die Firma wird dies kenntlich machen. Darüber hinaus muss mit Verkehrsbeeinträchtigungen während der Verladung gerechnet werden.“
„Die Maßnahmen waren bereits für 2022 geplant, wurden aufgrund des eingebrochenen Holzmarktpreises verschoben.“
Diese wenigen Sätze werden vielen Wandlitzern nicht genügen. Viele Fragen bleiben offen. Warum mussten die Bänke entfernt werden? Werden die Bänke nach Abschluss der Arbeiten wieder aufgestellt? Warum erfolgen die Fällungen innerhalb der Vegetationsperiode? Und warum während der Badesaison? Werden Jungbäume nachgepflanzt? Wird ein Waldumbau stattfinden?
- 3. Einwohnerbefragung
Satzung zur Durchführung von Einwohnerbefragungen in der Gemeinde Wandlitz
Als weitere Form der Beteiligung der betroffenen Einwohner kann die GV auch Einwohnerbefragungen zu bestimmten Vorhaben oder Planungsabsichten beschließen.
Die Möglichkeit dieser Form der Bürgerbeteiligung ist in der Kommunalverfassung Brandenburg sowie der Hauptsatzung und der Einwohnerbeteiligungssatzung von Wandlitz geregelt. Nun müssen noch die Details für die Durchführung einer Einwohnerbefragung geklärt werden. Zu welchen Gegenständen ist eine Einwohnerbefragung statthaft? Wie soll eine Einwohnerbefragung ablaufen? Stand der Dinge ist: Die Arbeitsgruppe Satzung hat einen Vorschlag erarbeitet, an welcher Stelle diese Detailfragen geregelt werden. Sie schlägt vor, die Einwohnerbeteiligungssatzung zu erweitern und dort die Details zu regeln. Dies müsste nun noch durch die Gemeindevertretung beschlossen werden.
In der Gemeinde Grünheide wurden 2023 zwei Einwohnerbefragungen zur Erweiterung des Tesla-Geländes durchgeführt. Die Einwohner lehnten eine weitere Waldrodung sowohl für die Industriefläche als auch für die weitere Einwohnerentwicklung ab. Wie die Gemeindevertretung mit diesem Bürgervotum umgegangen ist, ist bekannt …. .
- 4. Beteiligung der Öffentlichkeit bei Bebauungsplänen
Grundschule Schönwalde/Denkmalbereichssatzung für den historischen Ortskern Lanke/Schloss und Park Dammsmühle
Auch Fachgesetze sehen förmliche Beteiligungsverfahren der Öffentlichkeit vor, zum Beispiel das Baugesetzbuch. Bürgerinnen und Bürger können sich im Verfahren der Aufstellung eines Bebauungsplans beteiligen und eine Stellungnahme abgeben. In der ersten Stufe informiert die Gemeinde Bürgerinnen und Bürger frühzeitig über bestehende Planungsabsichten. Diese Informationen umfassen allgemein die Ziele und Zwecke der Planung, mögliche Planalternativen für die Neugestaltung oder Entwicklung des Plangebietes und die voraussichtlichen Auswirkungen der Planung. In der zweiten Stufe wird der Planentwurf zusammen mit einer Begründung für einen Monat öffentlich ausgelegt.
Die Entwürfe der Bebauungspläne: Grundschule Schönwalde sowie Schloss und Park Dammsmühle sowie der Entwurf der geplanten Denkmalbereichssatzung für den historischen Ortskern Lanke wurden öffentlich ausgelegt. In der letzten GV-Sitzung vor den Kommunalwahlen hat die Verwaltung der Gemeindevertretung (GV) die ausgewerteten Stellungnahmen zur Entscheidung vorgelegt. Die GV wägt die öffentlichen und privaten Belange gegen- und untereinander ab. Dann entscheidet sie über ihre Berücksichtigung oder Zurückweisung. In diesen 3 Fällen hat kein einziger Bürger eine Stellungnahme abgegeben. Dies könnte auch daran liegen, dass die von Bürgern abgegebenen Stellungnahmen häufig „weggewogen“, also nicht berücksichtigt werden. Zudem diskutiert die GV in vielen Fällen die Abwägungsvorschläge gar nicht, sondern entscheidet „im Block“. Statt sich mit den Stellungnahmen und dem Vorschlag zur Abwägung einzeln auseinanderzusetzen, werden die Vorschläge der Verwaltung als Ganzes akzeptiert.
- 5. Sachkundige Einwohner*in
Ausblick auf die nächste GV-Sitzung
In der ersten Sitzung der GV nach der Wahl werden sich GV und Ausschüsse konstituieren. Spätestens in der darauffolgenden Sitzung werden „Sachkundige Einwohner“ berufen. Ein „sachkundiger Einwohner“ ist beratendes Mitglied in einem Fachausschuss der Gemeindevertretung oder des Kreistags. Diese Form der Mitbestimmung kann ein Einstieg in die Kommunalpolitik für diejenigen sein, die nicht gleich für die Gemeindevertretung oder den Kreistag kandidieren wollen. Sachkundige Einwohner verfügen idealerweise über besondere Fachkenntnisse, die sie in die kommunalpolitische Arbeit des jeweiligen Ausschusses einbringen können. Sie haben das aktive Teilnahmerecht. Das heißt, sie dürfen in dem Ausschuss, in dem sie berufen sind, das Wort ergreifen, Vorschläge einbringen, Fragen und Anträge stellen und sie begründen. Es ist also kein bloßes Dabeisitzen und Zuhören. Stimmberechtigt sind sie in diesen beratenden Ausschüssen allerdings nicht und ein Recht auf Auskunft (etwa Akteneinsicht) gegenüber der Verwaltung haben sie auch nicht. Das ist den Mitgliedern der Gemeindevertretung vorbehalten.
Unsere Gemeinde entwickelt sich rasant. Auch in der kommenden Wahlperiode wird es viele Themen geben, die wir miteinander diskutieren müssen. Bitte bringen Sie sich einund entscheiden Sie mit, wie die Gemeinde sich entwickeln soll.
Dörthe – Babette Hartrumpf
[1]
Vorlage – BV-GV/2012-0494 , Seite 12
[2]
Sitzung Ortsbeirat Wandlitz vom 19.01.2021: MV/2020-0047