Ein Großteil der Deutschen kann sich Landleben vorstellen. Tatsächlich erwägt ein Großteil der Deutschen einen Umzug aufs Land. Ursächlich dürfte allerdings weniger der Wunsch nach Ruhe und Beschaulichkeit sowie die Nähe zur Natur sein, als vielmehr der Mangel an bezahlbarem Wohnraum, Schulen und KITAs in Großstädten.
Aber was wollen wir? Welche Entwicklung wünschen sich die Bürgerinnen und Bürger für die Gemeinde Wandlitz?
Am 30. Mai 2024 soll von der Gemeindevertretung ein neues Leitbild als Teil des neuen Wandlitzer Entwicklungskonzeptes beschlossen werden. Das darin enthaltene Leitbild soll aus 10 Leitsätzen bestehen.
Zwei dieser zehn Leitsätze lauten:
„3. Wir sind eine „Nebensiedlungsachse“ lt. Des Landesentwicklungsplanes Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg und gestalten gemeinsam die Entwicklung der Landesplanung“
„4. Wir sind …. ein in Teilen suburban entwickelter und damit suburban überformter Wohn- und Arbeitsstandort mit besonderer Lebensqualität für alle.“
Das Entwicklungskonzept einschließlich Leitbild ist unter einer großen Bürgerbeteiligung entstanden. Aber haben wir den Prozess der Suburbanisierung wirklich ausreichend in der Gemeinde diskutiert? So wurden beispielsweise die Potenziale für künftige Siedlungsflächen in keinem der 3 Bürgercafés diskutiert. Grund dafür war, dass die Siedlungsflächenpotenzialanalyse erst kurz vor der Beschlussfassung in den Gremien fertiggestellt werden konnte.
Was meint der Begriff „Suburbanisierung“?
Suburbanisierung (lat. Suburbium: ein außerhalb der Stadt gelegenes Gebiet) bezeichnet die Abwanderung der Bevölkerung und von Funktionen, wie die Industrie oder Dienstleistungen, aus der Kernstadt in das städtische Umland. In den Großstädten kommt es zwar kaum noch zu einem Bevölkerungsanstieg, aber die verbesserte Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur erlaubt ein Wachstum der Städte in die Fläche sowie in ihr Umland. Quelle: vgl. https://www.studysmarter.de/schule/geographie/deutschland/stadt-und-land/ |
Weshalb benötigen wir ein Gemeindeentwicklungskonzept und ein neues Leitbild?
Im Leitbild von 2017 wird als Aufgabe der Gemeinde beschrieben, „das Wachstum aktiv zu steuern…Dabei wollen wir eine Bauweise fördern, die gesellschaftliche Teilhabe und eine soziale Mischung ermöglicht,……“
Im Dezember 2020 beschloss die Gemeindevertretung (GV) den Bürgermeister zu beauftragen, eine Einschätzung zum Stand der Umsetzung des Leitbildes der Gemeinde Wandlitz zu erarbeiten.
In der gleichen Sitzung der GV am 03.12.2020 stellten die Fraktionen SPD, CDU, Linke/Grüne/UWG den Antrag „Bauentwicklung in der Gemeinde Wandlitz – Steuerungsbedarf aufgrund vermehrten Siedlungsdrucks – Analyse und Maßnahmen“. In der Begründung des Antrags wird ausgeführt: „Die Gemeinde ist gefordert sich zum Umgang mit der neuen Landesplanung zu positionieren, dies ist bisher nicht geschehen. … Notwendig ist eine qualitative und quantitative Neuausrichtung des Leitbildes der Gemeinde Wandlitz. Es bedarf klarer Vorgaben für die eigentliche Bauleitplanung unter anderem in Bezug auf:
- Einwohnerentwicklung
- Sicherung der Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger
….“ (vgl. BV-GV/2020-0256).
Im September 2021 wurden diese Beschlüsse durch einen Antrag der Fraktionen SPD, Die Linke/Grüne/UWG, CDU, F.Bg.W durch einen weiteren Beschluss ergänzt. In diesem Antrag heißt es: „Kritisch ist anzumerken, dass wir, die Gemeindevertretung und Gemeindeverwaltung unser Leitbild jährlich prüfen und fortschreiben wollten, dieses konnte nicht umgesetzt werden. In einer öffentlichen Diskussion sollten aus unseren strategischen Leitlinien konkrete und abrechenbare Ziele werden. … Von A bis Z, Arbeitsplatzentwicklung, Nachhaltigkeit bis zum Zuzug in unsere Gemeinde ist hier alles zu betrachten.“ (vgl. BV_GV/2021-0340).
Welche Stärken und Schwächen identifiziert das neue Gemeindeentwicklungskonzept im Handlungsfeld WOHNUNGSMARKT, BAULANDENTWICKLUNG UND BAUKULTUR?
Stärken | Schwächen |
Anhaltend positives Bevölkerungswachswachstum seit Beginn der Großgemeinde WandlitzAnhaltende Nachfrage nach WohnraumÜberwiegend gute Wohnlage in WandlitzHohe Bautätigkeit im Vergleich zu anderen Gemeinden und zum Landkreis | Langfristig anhaltender Sterbeüberschuss, der durch positive Wanderungsgewinne überkompensiert wirdGeringe Anzahl an Mietwohnungen, preisgünstigen und geförderten WohnungenMangel an kleinen Wohnungen mit zwei oder drei RäumenNeubautätigkeit konzentriert sich überwiegend auf die OT Basdorf und Wandlitz |
Quelle: Seite 69, Entwurf Wandlitzer Entwicklungskonzept
Verstehen wir uns als Entlastungsstadt?
Die Entlastungsstadt befindet sich in einer Großstadtregion und ist eine Auspendlerstadt (negativer Pendlersaldo). Hier wohnen überwiegend Menschen, die in der Großstadt arbeiten, aber dort keine passenden Wohnangebote finden, oder die in die Entlastungsstadt ziehen, weil sie zum Beispiel das ruhigere, naturnähere Leben dort schätzen. |
Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung untersuchte in einem Forschungsvorhaben die Steuerbarkeit von Wachstumsdynamiken in Mittelstädten. Als ein Beispiel für Entlastungsstädte wurde u.a. die Gemeinde Wandlitz (23.127 Einwohner in 2019), nördlich von Berlin mit neun Ortsteilen in einem von Seen geprägten Naherholungsgebiet und dem Schwerpunkt Wohnungsneubau untersucht. Das Institut konstatiert als Ursache für das Wachstum: „Die Bekanntheit der Naturraumqualitäten der Gemeinde Wandlitz und die Nähe zur Stadt begründen das dynamische Wachstum der Wohnbevölkerung. Es ist fast ausschließlich auf Zuwanderung aus Berlin zurückzuführen. Nachfragegruppen am Wohnungsmarkt sind überwiegend aus Berlin Zuziehende (v. a. Familien und alte Menschen).“
In dem Forschungsbericht wird weiterhin festgestellt: „Wandlitz hat das Profil als Entlastungsstadt nicht nur angenommen, sondern sich beim Land Brandenburg aktiv dafür eingesetzt, Teil einer Entwicklungsachse zu werden, um noch günstigere Rahmenbedingungen für die Wahrnehmung dieser Funktion zu schaffen.“
Laut Forschungsbericht „…wird erwartet, dass es schwierig wird, zwischen den Positionen pro Wandel und wachstumsorientierte Weiterentwicklung und kontra („das Boot ist voll“) einen Konsens zu finden.“
Quelle: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR): FORSCHUNGSPROJEKT „Bevölkerungsdynamik in Mittelstädten – interaktive Stadtportraits“, Laufzeit: Oktober 2020 – August 2022
Welche Vorschläge hat Bündnis 90/Die Grünen zum Thema Wohnen und Bauen?
Wir müssen jetzt den Grundstein legen, damit auch in Zukunft das Wohnen bezahlbar bleibt und der öffentliche Raum für gegenwärtige und zukünftige Generationen lebenswert, ansprechend und nachhaltig gestaltet wird.
Wohnraum, der wieder bezahlbar ist
Wir wollen Initiativen und Wohnungsbaugemeinschaften fördern, die den Wohnraum neu denken. So wird Platz gemacht für neue Wohnformen wie Mehrgenerationenwohnen und zeitgemäße Mehrfamilienhäuser, auch für junge Familien und Singles. Wir setzten besonders auf genossenschaftliches Bauen.
Kommunale Wohnungstauschplattform
Unsere Gesellschaft wird älter, bunter und vielfältiger und auch die Wohnvorstellungen verändern sich im Laufe des Lebens. Viele Menschen denken über eine Veränderung ihrer Wohnsituation nach, weil der bestehende Wohnraum nicht mehr zu Ihren aktuellen Bedürfnissen passt. Vorhandener Wohnraum ist sinnvoll zu nutzen, indem wir eine kommunale Wohnungstauschplattform schaffen. Menschen mit einem inzwischen geringeren Wohnungsbedarf können so zu fixen Konditionen ihre Wohnung mit Haushalten mit gestiegenem Wohnraumbedarf tauschen.
Wohnen im Alter
Viele ältere Menschen wohnen in großen Häusern, wenn die Kinder ausgezogen sind. Wer im Alter allein oder zu zweit in einem großen Haus wohnt, braucht Unterstützung in Form von Beratung. Damit Menschen auch in ihrer vertrauten Umgebung bis an ihr Lebensende bleiben können. Wir wollen deshalb die Gründung kommunaler Beratungsagenturen zum Wohnen im Alter.