Was steckt hinter dem Bebauungsplanverfahren für das Grundstück Seetrifft 1 in Wandlitz? Für das neben der Jugendherberge gelegene Privatgrundstück gibt es schon seit langem einen rechtsgültigen Bebauungsplan. Er weist das Grundstück entsprechend seiner Umgebung als Mischgebiet aus und lässt eine ortsübliche 2-geschossige Bebauung zu. 2019 wollte der damalige Grundstückseigentümer mehr: Nach Abriss des vorhandenen Gebäudes wollte er näher ans Seeufer bauen und dazu deutlich mächtiger, als nach dem Bebauungsplan erlaubt. Mehrgeschossig mit einer Gaststätte im UG und EG, mit Gewerberäumen im 1. OG und einer Penthouse-Wohnung im 2. OG. Deshalb wünschte er sich einen neuen „überlagernden“ Bebauungsplan. Seinen Antrag mit detaillierten Planzeichnungen und Angaben zur gewünschten Erhöhung von Grund- und Geschossflächenzahl präsentierte die Amtsvorgängerin unseres Bürgermeisters den Gemeindegremien. Zu hoch, zu breit, zu laut und außerdem wegen des schon vorhandenen B-Plans ganz unnötig, befand der Ortsbeirat beinahe einhellig. Die Rücknahme der Beschlussvorlage durch die vormalige Bürgermeisterin folgte prompt.
Ein neuer Bürgermeister – ein neues Spiel – diesmal mit verdeckten Karten: Im neuen Beschlussantrag ist nicht mehr von einem Bauvorhaben des Grundstückseigentümers die Rede. Statt Bauzeichnungen und Maßangaben gibt es blumige Worte. Aus einem „städtebaulich vertretbar(en)“ privaten Bauvorhaben wird nun ein öffentliches Anliegen. Laut Antragstext geht es um nicht weniger als die „Schaffung von Planungs- und Baurecht, um eine geordnete städtebauliche Entwicklung … zu gewährleisten“. Aus einer gewerblichen Gaststätte in Privathand ist eine „öffentliche Nutzung durch eine gastronomische Einrichtung“ geworden.
Etliche Gremienmitglieder wittern alten Wein in neuen Schläuchen. Die Beteuerung des Bürgermeisters, dass der Eigentümer keinen konkreten Plan verfolge, sondern sich nach den Vorstellungen der Gemeinde richten wolle, stieß auf mehrheitliche Skepsis der Gremienmitglieder. Sie erkannten weder gemeindliche Planungswünsche noch gemeindlichen Planungsbedarf. Nach drei erfolglosen Gremiendurchläufen erging im Februar 2021 schließlich doch ein zustimmender Gemeindevertreterbeschluss. Er stellt dem Eigentümer im Wesentlichen die Realisierung seines 2019 geplanten Bauvorhabens in Aussicht. Allerdings unter der Voraussetzung, dass er sich als sog. Vorhabenträger zur Übernahme sämtlicher Planungs- und Erschließungskosten und zur Durchführung seines Bauvorhabens gegenüber der Gemeinde vertraglich verpflichtet.
Bis hierher mag man die Überredungskünste des Bürgermeisters bewundern oder die Nachgiebigkeit der Gemeindevertreter beklagen. Was danach kommt, löst mehr als nur Erstaunen aus.
Bauverbot zur Förderung der Einigungsbereitschaft? Im Herbst 2022 beklagte der Bürgermeister das Stocken des Planverfahrens nach diversen Eigentümerwechseln. Der neue Eigentümer zeige kein Interesse. Er wolle lieber nach dem aktuell gültigen B-Plan bauen. Eine Veränderungssperre für das Grundstück sei daher das geeignete Mittel zur Sicherung der Planungsziele der Gemeinde. Der entsprechende Beschlussantrag des Bürgermeisters passierte die Fachausschüsse und schließlich die Gemeindevertretung erstaunlich problemlos. Dass in einem sog. vorhabenbezogenen Bebauungsplanverfahren, in dem der Eigentümer als Vorhabenträger und Vertragspartner der Gemeinde agiert, eine Veränderungssperre unzulässig ist, steht klipp und klar im Baugesetzbuch. Im konkreten Fall, in dem sich Planbereich und Veränderungssperre auf ein einziges Grundstück beschränken, trägt die Veränderungssperre zudem den bösen Schein eines gezielten Bauverbots zur Druckausübung auf den Verhandlungspartner.
Ist dem Bürgermeister tatsächlich nicht bewusst, welcher Gefahr von Schadensersatzansprüchen er die Gemeinde durch die unzulässige Veränderungssperre aussetzt oder kann es Gründe für eine besondere Risikobereitschaft des Verwaltungschefs geben?
Noch rätselhafter sind die Motive, die hinter der Beschlussinitiative des Bürgermeisters vom März 2023 stehen. Jetzt sollen die Gemeindevertreter beschließen, dass die Gemeinde das Bebauungsplanverfahren selbst fortführt und dafür Haushaltsmittel in sechsstelliger Höhe ausgibt.
„So ein tolles Grundstück, da geht doch mehr“ So etwa könnte man den Tenor zusammenfassen, mit dem der Bürgermeister für das vom ihm initiierte B-Plan Verfahren von Anfang an enthusiastisch geworben hat. Ist das der Schlachtruf, den nun jeder Eigentümer eines Grundstücks in bevorzugter Lage fürchten muss? Muss jeder damit rechnen, dass die Gemeinde auf seinem Grundstück ihr eigenes Bauprojekt plant? Sei es in Form einer „öffentlichen“ Gaststätte oder einer exklusiven Penthouse-Wohnung? Wohl kaum, denn die Sinnlosigkeit einer solchen Planung ist allzu offensichtlich. Was nützt eine Planung ohne die Möglichkeit der Umsetzung?
Was also bewegt den Bürgermeister dazu, Gelder der Gemeinde für die Planung eines Gebäudes auf einem fremden Grundstück auszugeben, auf das die Gemeinde gar keinen Zugriff hat? Soll die Gemeinde im nächsten Schritt auch noch die Baukosten übernehmen, damit der Eigentümer die Realisierung duldet? Ist gar an eine Enteignung gedacht? Oder soll sich in der Zukunft fügen, was heute unerreichbar scheint? Hat etwa der nächste Grundstückskäufer die Türklinke schon in der Hand? Einer, der die Vorstellung des Bürgermeisters vom künftigen Ortsbild teilt? Einer, der zu vertrauensvoller Zusammenarbeit mit ihm bereit ist? Einer, der Sinn für den alten Traum von Restaurant und Penthouse mit direktem Zugang zu einer Besucherplattform auf dem See hat?
Wie wird es weitergehen? Um auf den Pfad der Tugend und den Boden des Rechts zurückzukehren, gibt es nur eine Handlungsoption: Die sofortige Aufhebung der rechtswidrigen Veränderungssperre und die sofortige Beendigung des gesamten B-Plan Verfahrens, das nach dem Rückzug des Vorhabenträgers nicht mehr durchführbar ist. Es ist Aufgabe des Bürgermeisters, die notwendigen Beschlussvorlagen der Gemeindevertretung vorzulegen. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, müssen die Gemeindevertreter selbst die Initiative ergreifen, um Schaden von der Gemeinde abzuwenden.
Hanni Hopp, SPD Wandlitz
Sachkundige/r Einwohner/in | A6 Ausschuss für Umwelt, Energie und ÖPNV