Mit über 300.000 Besuchern gleich am ersten Wochenende winkt der Verfilmung der „Känguru- Chroniken“ einer der besten Starts des bisherigen Kinojahres. Wenn ein Erfolgsbuch/Hörbuch mit Millionenauflage verfilmt werden soll, braucht es einen Regisseur, der den richtigen Ton trifft. Den Tonfall, den ein Kleinkünstler und ein Känguru, die zusammen in einer Berliner WG leben, miteinander pflegen, als sei dies die normalste aller Angelegenheiten. Dass er mit lakonischem Witz gut umgehen kann, hat Dani Levy mindestens seit seinem Kinoerfolg „Alles auf Zucker“ bewiesen. Nun zeigt er, dass er ebenso aus einer genialen Melange kurzer, frecher, spontaner Episoden aus Marc-Uwe Klings Bestsellern einen „richtigen“ Kinofilm machen kann.
Ein Känguru und ein Kleinkünstler als letzte Bastion gegen den Faschismus? Wie würdest Du Deinen Film beschreiben?
DANI LEVY Ich wäre mit dieser Beschreibung glücklich. Ich finde, das ist ‘ne schöne Headline. Känguru und Kleinkünstler als letzte Bastion gegen den Faschismus? Ist auf jeden Fall ‘n Knaller!
Wie hast Du die Känguru-Chroniken kennengelernt?
DANI LEVY Ganz einfach – über meine Kinder. Beide sind ja unterschiedlich alt und über die Schulen und die Freunde in diesen Känguru-Zyklus hineingeraten und haben dann in Dauerbeschallung Mark-Uwe Kling laufen lassen. Das war für mich erst mal der nächste Hörbuchwahnsinn. Ich habe dann manchmal ein paar Geschichten mitgehört. Das war aber lange, bevor ich angefragt wurde, den Film zu machen. Da waren meine Kinder super happy und fanden es total cool, dass Papa endlich mal einen Film auch für sie macht.
Es gibt da ein großes Problem: Im Buch sind es viele kurze Episoden, der rote Faden ist ja eigentlich nur das Känguru-Universum. Wie macht man daraus einen stringenten Film?
DANI LEVY Ein wirklich stringenter Film ist es natürlich nicht geworden. Marc-Uwe Kling und ich haben über einige Jahre der Drehbuchentwicklung tatsächlich versucht, die Frage zu beantworten, indem wir gesagt haben, wir brauchen irgendeine Linie im Sinne der Bücher, die aber natürlich kein übergestülpter Mega-Plot sein darf. Das würde die schönen individuellen episodenhaften Szenen erdrücken. Das haben wir dann nach bestem Wissen und Gewissen dramaturgisch so gebaut.
Die zweite Hürde: Jeder Leser oder Zuhörer hat natürlich eine sehr spezielle Vorstellung: Wie sieht dieses Känguru aus? Vielleicht ist es wahnsinnig kuschelig; vielleicht ist es eher zerzaust… Wie habt ihr euer Känguru gefunden?
DANI LEVY Wir haben gesucht, gecastet, abgeklopft und haben uns dann für eins entschieden, das keck, frech und trotzdem erträglich ist. Nervend, aber in Maßen. Wir haben es entwickelt: Ein normales Känguru steht in der Regel auf den Vorderpfoten, es steht ja nicht aufrecht. Wenn du ein Känguru auf Vorderpfoten mit einem Schauspieler zusammenbringst, dann sieht das aus wie ein Hund, es ist ein Haustier. Das wollten wir nicht und das ist es auch nicht. Das Känguru und Marc-Uwe, das sind zwei Kumpel, sind Freunde, eine WG – das ist eine Beziehung auf Augenhöhe, das kann kein Haustier sein. Deswegen war uns klar: das Känguru muss stehen! Ein Känguru steht in der Regel nur, wenn es kämpft, also muss das Känguru streitlustig sein. Das betrifft auch die Farbe des Fells. Wie borstig ist es, wie viel Wildnis muss noch drin sein? Es sollte nicht zu flauschig werden, es sollte nicht aussehen wie Paddington. Es sollte schon in den Kosmos dieser Känguru-Chroniken hineinpassen, da ist ja alles ein bisschen ranzig. Die Nazis, die Wohnung und die ganze Umgebung, in der die Geschichte spielt, hat ja dann doch diese Rauheit.
Apropos rau! Dies ist ja auch eine Liebeserklärung an Berlin.
DANI LEVY Ja, es hat etwas Lokalkolorit bekommen. Ein Stück weit weinen wir auch einer alten Welt nach. Ich finde, obwohl Marc-Uwe Kling so jung ist, er ist ja erst in seinen Dreißigern, ist er irgendwie eine alte Seele. Man hat das Gefühl, der ist unglaublich Retro. Es gibt ja etwas fast Nostalgisches in den Geschichten. Wenn man sich heute Aufnahmen aus den Achtziger Jahren anguckt, als ich nach Berlin zog, hat man das Gefühl, es spielt eher dort. Da war Marc-Uwe aber Kind – das hat schon eine eigenartige Spiegelung der Zeit. Irgendwie sind seine Wahrnehmungen der heutigen Zeit sehr modern, was im Moment gesellschaftlich und politisch passiert, und wo es eigentlich hinführt. Er hat schon was Visionäres. Und gleichzeitig ist er aber von seinem Geschmack, von seiner Filmkultur her echt ein Nostalgiker. Ich glaube, den Film durchzieht genau dieses nostalgische Bild von einem Berlin, das verschwindet. Typischerweise haben wir ja Kreuzberg im Wedding gedreht – da gibt es halt das Berlin noch, das wir ja aus der Zeit nach der Jahrtausendwende kennen.
Alles steht und fällt natürlich mit der Erschaffung des Kängurus. Es war das erste Mal, dass du mit einer computeranimierten Figur zu tun hattest. Was ist das für ein Gefühl, wenn du am Set bist, und es gibt die Hauptfigur eigentlich noch gar nicht?
DANI LEVY Ein guter Teil dessen, warum ich den Film angenommen habe, war tatsächlich die Erfindung dieser Figur. Weil ich dachte, einmal mit einem Computer eine lebendige Figur zu erschaffen, war für mich eine Herausforderung, Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das gut geht. Aber ich bin auf jeden Fall ein Kämpfer, ich mag es, Dinge auszuprobieren. Ich konnte mir zunächst gar nicht vorstellen, dass man eine Figur – mit unserem Low Budget, muss man ja auch noch sagen – im Computer baut. Eine Figur, die wirklich lebt. Für mich ist alles, was man plant, konzipiert, berechnet und quasi Frame für Frame bauen muss, das ist ja eigentlich genau das Gegenteil des Lebens. Das Leben ist fehlerhaft, unberechenbar, impulsiv, unlogisch und sprunghaft. Eigentlich ist jede Computer-Animation das genaue Gegenteil, ist völlige Planung, totale Kontrolle – und da sozusagen das „Unberechenbare“ wieder reinzubringen, das hat mich gereizt. Beim Drehen fand ich es gar nicht so schwierig, weil wir ja Volker Zack in diesem Motion-Capture-Suit hatten, der sozusagen das Känguru gespielt hat. Wir hatten damit eine richtige Känguru-Figur, die den Text mit voller Energie spricht, die richtig Gas gegeben hat. Im Schnitt jedoch fand ich es schwierig, immer diesen Menschen in diesem komischen schwarzen Overall zu sehen, der eben nicht das Känguru ist, und sich dabei vorzustellen: Okay, das muss man jetzt abstrahieren. Der Känguru-Darsteller trägt ja einen Anzug mit Markern an den Gelenken, die dann vom Computer erkannt und zu einem 3D-Modell weiterverarbeitet werden. Dadurch ist es möglich, dass sich animierte künstliche Figuren wie richtige Schauspieler bewegen. Aber das passiert ja erst später, das sieht man beim Schnitt noch nicht. Ich dachte oft, so richtig seriös kann ich den Film eigentlich nicht schneiden, wenn ich das Tier nicht irgendwann mal vor mir habe. Aber es ging nicht anders, ich musste den Schnitt ohne Känguru fertig machen, und dann kam das Känguru Stück für Stück in den Film. Und ich glaube, es ist uns auch gelungen ein wirkliches Wesen zu erschaffen.