Viele Arbeitnehmer haben ihren eigenen Arbeitsvertrag noch nie gründlich durchgelesen, obwohl er einen der wichtigsten Verträge in ihrem Leben darstellt, denn immerhin ist er für die meisten Arbeitnehmer die Grundlage für ihre wirtschaftliche Existenz. Im Bemühen um ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer entwickeln sich Gesetzgebung und Rechtsprechung ständig weiter. Selbst wer zufrieden ist am Arbeitsplatz, sollte deshalb den Arbeitsvertrag einmal genau lesen, weil insbesondere ältere Verträge oft Klauseln enthalten, die früher vielleicht wirksam waren, inzwischen aber unwirksam sind, weil sie heute nicht mehr dem geltenden Recht entsprechen.
So ist zum Beispiel eine Klausel grundsätzlich unwirksam, nach der Ansprüche verfallen, wenn sie nicht binnen eines Monats geltend gemacht werden. Diese Frist ist zu kurz und bewirkt, dass die Ansprüche erst nach 3 Jahren verfallen. Ein weiteres aktuelles Beispiel für eine Neuerung ist die Handhabung zum Verfall von Urlaubsansprüchen. So findet sich in vielen Verträgen noch folgende Klausel: “Der Urlaubsanspruch kann nur dann auf das folgende Kalenderjahr übertragen werden, wenn dies durch dringende betriebliche Gründe gerechtfertigt ist. Andernfalls verfällt er zum 31.12. des jeweiligen Kalenderjahres. Im Falle seiner Übertragung muss der Urlaub bis zum 31.3. des Folgejahres genommen werden. Diese entspricht nicht mehr der aktuellen Rechtslage, seit der europäische Gerichtshof deutlich gemacht hat, wie bedeutsam der bezahlte Mindesturlaub als Grundsatz des Sozialrechts der Union ist. Er entschied zuletzt, dass es unionsrechtswidrig ist, dass der Arbeitnehmer seinen Mindesturlaubsanspruch verliert, bloß weil er keinen Urlaubsantrag eingereicht hat. Diese Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht inzwischen umgesetzt und entschieden, dass der Arbeitgeber vielmehr nachweisen müsse, dass er seinen Mitarbeiter ausdrücklich auf den drohenden Urlaubsverfall hingewiesen und in die Lage versetzt hat, den Urlaub nehmen zu können.
Andere Klauseln können auf externe Verträge verweisen. In vielen Arbeitsverträgen steht zum Beispiel: „Im Übrigen gelten die einschlägigen tarifvertraglichen Bestimmungen.“ Nach meiner Erfahrung kümmern sich wenige Betroffene um diese Bestimmungen, obwohl es genauso wichtig ist, diese zu kennen, da sie direkt und genauso für das Arbeitsverhältnis gelten wie die übrigen Klauseln im Arbeitsvertrag.
Deshalb rate ich Ihnen:
• Lesen Sie Ihren Arbeitsvertrag Klausel für Klausel durch.
• Machen Sie sich eine Kopie und markieren Sie sich alles an, was Sie nicht genau verstehen.
• Gehen Sie mit Ihren Fragen zu Ihrem Betriebsrat, zu einer öffentlichen Beratungsstelle oder zu einer Fachberatung, z.B. zu einem Fachanwalt für Arbeitsrecht, und lassen Sie sich die unverständlichen Textstellen erklären.

Ich bin seit 24 Jahren als Rechtsanwältin tätig, seit dem Jahr 2001 bin ich “Fachanwältin für Arbeitsrecht”.
Gerade im Arbeitsrecht kommt man mit dem bloßen Gesetzestext meistens nicht weiter. Hier sind Kenntnisse der Rechtsprechung, Erfahrung und strategisches Vorgehen gefragt.